Es gibt schöne Gebäude in Nürnberg: Das ehemalige Bürogebäude der Telekom an der Bayreuther Straße, eine Betonburg am östlichen Rand der Altstadt, werden wenige dazu zählen. Doch der Komplex mit knapp 25 000 Quadratmetern Bürofläche erschien der evangelischen Kirche in Bayern attraktiv für eine solide Geldanlage und damit eines ihrer größten Immobiliengeschäfte. In diesem Frühjahr besiegelte sie den Kauf, bestätigte die Landeskirche dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage. Einen zweistelligen mittleren Millionenbetrag habe die Immobilie gekostet.

Der große Komplex wurde zunächst als »Ertragsimmobilie« gekauft. Die Landeskirche erhöhe derzeit den Immobilienanteil an den Rücklagen für die Altersvorsorge der Mitarbeitenden, hieß es. Der große Bürokomplex am U-Bahnhof Rathenauplatz ist derzeit vermietet, die Mietverträge laufen noch eine Weile.

Mittlerweile spielt die Landeskirche aber mit dem Gedanken, an der Bayreuther Straße 1 ein evangelisches Zentrum zu schaffen. »Die Immobilie hat möglicherweise Potenzial, zu einer Dienstimmobilie für kirchliche Einrichtungen und Dienste in Nürnberg weiterentwickelt zu werden«, heißt es dazu auf eine epd-Anfrage.

»Dienstimmobilie« oder »Ertragsimmobilie«

Der Landeskirchenrat habe deshalb in seiner Sitzung im Juli beschlossen, »fachlich-inhaltliche, bautechnische, wirtschaftliche und kirchenpolitische Gesichtspunkte« zu prüfen, ob der Bau eventuell als Dienstimmobilie taugt. Die Oberkirchenräte Helmut Völkel, zuständig für Personal, und Finanzchef Erich-Theodor Barzen lassen Szenarien durchrechnen, die auch die Betriebskosten oder bevorstehenden Renovierungskosten in anderen Nürnberger Dienstgebäuden einschließen, erklärte Kirchensprecherin Andrea Seidel.

Etwa zehn Einrichtungen, unter ihnen das Gottesdienstinstitut, die Arbeitsstelle Kokon, das Predigerseminar, der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt oder das Amt für Gemeindedienst wurden angeschrieben, um zu erklären, wie sie zu den Überlegungen stehen. Die Rummelsberger Diakonie soll Interesse bekundet haben, sich an dem Projekt mit ihren beruflichen Schulen und Studiengängen zu beteiligen.

Besonders die Evangelische Hochschule Nürnberg sieht in der Bayreuther Straße 1 eine Lösung für ihre Platzprobleme. »Wir sind am Ende aller Raumkapazitäten«, sagt ihre Präsidentin Barbara Städtler-Mach. Schon lange wolle man sich vergrößern: »Das wäre eine hervorragende Sache.« Derzeit sind die 1400 Studierenden der Studiengänge in den Bereichen Sozialwissenschaften, Sozial- und Gesundheitswirtschaft, Gesundheit und Pflege sowie Pädagogik und Theologie und die 100 Beschäftigten im Stadtteil Gostenhof zu Hause.

Mit dem »Charme der 70er-Jahre die Kirche auf dem Weg ins 21. Jahrhundert darstellen«?

»Unaufgeregt« sieht man der Prüfung einer solchen großen evangelischen Zentrale im Amt für Gemeindedienst entgegen. Sein stellvertretender Leiter Ulrich Jakubek sagt, man sei bereits vor einigen Jahren aus verschiedenen Dienststellen im heutigen Gebäude in der Sperberstraße im Süden Nürnbergs zusammengezogen. »Das hat Möglichkeiten gebracht«, erklärt Jakubek. Und Platznöte habe man ohnehin.

Im Amt für Jugendarbeit, das seit den 1930er-Jahren im altehrwürdigen Gebäude am Hummelsteiner Weg ansässig ist, sieht man die Vorgänge eher skeptisch. Landesjugendpfarrer Gerd Bauer fragt sich, ob ein Immobilienkomplex »mit dem Charme der 70er-Jahre die Kirche auf dem Weg ins 21. Jahrhundert darstellen kann«. Die Grundidee sei gewesen, eine Ertragsimmobilie zu kaufen, betonte er.

Der Gedanke an einen Einzug in das Gebäude mit der Adresse Bayreuther Straße 1 verursacht auch dem Leiter des Predigerseminars in Nürnberg, Manacnuc Mathias Lichtenfeld Bauchgrimmen. Die Ausbildung der angehenden Pfarrerinnen und Pfarrer aus ganz Bayern in jeweils mehrwöchigen Kursen könne er sich in einer »Konzernzentrale« nicht vorstellen. Vielmehr brauchten sie im Predigerseminar einen »Rückzugsort«.

Das Thema Telekom-Immobilie soll nach den derzeitigen Prüfungen auch bei der kommenden Tagung der Landessynode im Herbst in Amberg auf der Tagesordnung stehen. Die Synode müsste per Haushaltsgesetz zustimmen, wenn eine bestehende Ertragsimmobilie in ein Dienstgebäude umgewandelt wird.