Eine Krankheit hat Deutschland erfasst. Sie geht einher mit Lähmungserscheinungen, depressiven Verstimmungen und Antriebslosigkeit. Sie befällt sowohl Einzelne als auch Gruppen, manchmal sogar die ganze Gemeinschaft. Man kann diese Krankheit mit dem Satz beschreiben, den ein deutscher Spitzenpolitiker jüngst fast wortgleich formuliert hat: "Lieber nichts tun, als das Falsche tun."

Damit wären wir bei der geplatzten Jamaika-Koalition. Acht Wochen nach der Bundestagswahl steht Deutschland noch immer ohne Regierung da. Wochenlang hat Schwarz-Gelb-Grün darüber verhandelt, ob man in eine gemeinsame Verhandlung treten soll – nichts anderes war die Sondierung vor den Koalitionsgesprächen. Am Ende hat das zähe Ringen um Kompromisse nicht gereicht. Die FDP hat beschlossen, "lieber nicht zu regieren, als falsch zu regieren".

Nach dem gleichen Muster lief die x-te Klimakonferenz in Bonn.

Die vom Untergang bedrohten Fidschi-Inseln sorgten mit einer Folkloregruppe für lauschiges Verhandlungsklima; aber am Ende gab es keine nennenswerte Bewegung bei den großen CO2-Produzenten, zu denen auch Deutschland respektive Europa gehört. Kohlekraftwerke schließen? Herrjeh, die Arbeitsplätze! Neue Mobilitätskonzepte? Wieso, der Diesel ist doch spitze! Die Energie- und die Automobilbranche klammern sich mit einer Vehemenz an ihre alten Muster, dass man den Eindruck hat, ihre Entwicklungsabteilungen wären in Wahrheit Konservierungsfabriken.

Natürlich gibt es eine Menge wagemutiger Menschen, Initiativen, Firmen, die den – übrigens steten – Wandel von Technologien und Lebensumständen ideenreich begleiten. Doch die großen Konzerne und Gremien tun sich extrem schwer damit, ihre Parameter zu ändern. "Sündige kräftig", hat Luther gesagt – und damit gemeint, dass man ohne Fehlentscheidungen als verantwortungsvoller Christ, Politiker, Konzernchef nicht durchs Leben kommt. Vom Nicht-Entscheiden war dabei nicht die Rede.

Es ist unstrittig, dass es manchmal besser ist, etwas Falsches, Dummes, Riskantes nicht zu tun.

Und es braucht natürlich Zeiten des Nachdenkens, der Sammlung, der Debatte, des Innehaltens. Aber wenn das zum Dauerzustand wird, läuft das Leben an einem vorbei. Auch für Politik gilt: Der Weg entsteht beim Gehen – ewig vor Weggabelungen zu warten, führt nicht weiter. Dann lieber mal mutig falsch entscheiden als nie entscheiden. Wir haben schließlich nicht ewig Zeit – auch das lehrt uns der Ewigkeitssonntag.