Herr Ringlstetter, wie frei kann man sich im Fernsehen entfalten?

Hannes Ringlstetter: Wenn man 2017 Fernsehen macht, dann denken die Leute immer, man darf alles. Weil wir so eine freie Gesellschaft sind. Das stimmt aber nicht. Und dennoch: Mit einer gewissen Schärfe muss man sich positionieren, sonst kann man gleich wieder nach Hause gehen.

Wie scharf dürfen und wollen Sie sein?

Ringlstetter: Mir geht es vor allem darum, einen charmanten Weg zu finden, eine gute Late-Night-Show zu machen. Wir haben auch die Aufgabe, den BR ein wenig von seinem Image, ständig eine weiße Wolke von rechts nach links zu schieben, wegzubringen.

Gibt es dabei Grenzen?

Ringlstetter: Was nicht so gut ankommt, ist alles, was mit Religion zu tun hat, oder wenn es der bayerischen Lebensart des »Mia san mia« widerspricht.

Warum darf über Religion in einer bayerischen Satire-Show nicht auch gelacht werden?

Ringlstetter: Wir haben mehrere Versuche gestartet, die alle harmlos waren. Das Totschlagargument bei Witzen über Religion ist, dass man religiöse Gefühle verletzten könnte. Am Gründonnerstag zum Beispiel bekamen wir einen Brandbrief, in dem uns religiöse Hetze vorgeworfen wurde, weil wir folgenden Satz gesagt hatten: »Die Jungen kennen eigentlich Karfreitag gar nicht mehr, sie kennen nur noch Car-Sharing.«

 

Ich bin nicht der Meinung, dass die Welt nur aus dem besteht, was man sehen, hören, riechen kann.

 

Gretchenfrage: Wie halten Sie es denn mit der Religion?

Ringlstetter: Ich bin kein religiöser Mensch, ein Agnostiker wahrscheinlich. Aber ich bin ein metaphysischer Mensch. Ich bin nicht der Meinung, dass die Welt nur aus dem besteht, was man sehen, hören, riechen kann. Ob es dazu eine übergeordnete Instanz braucht, wage ich zu bezweifeln.

Ist Glaube für den Menschen wichtig?

Ringlstetter: Ich glaube, es ist wichtig für den Menschen, dass er an etwas glaubt. Wenn er an nichts glauben kann, was von ihm losgelöst ist, wird es schwierig. Es hilft, wenn er an etwas glauben kann, das ihn mittig macht, ihn erdet, auf die richtige Größe schrumpfen lässt.

Immer mehr Intellektuelle reden zurzeit über Demut und dass sie wichtig wäre, um den Menschen aus seiner Hybris zu bringen. Was leistet Demut?

Ringlstetter: Ich glaube, dass Demut nichts Proaktives ist, kein Lösungsansatz für den Weltenlauf. Demut ist Voraussetzung für Liebe, für Frieden, aber auch für Naivität. Wenn du demütig bist, kann es dazu führen, dass der andere das ausnutzt und dir klarmacht, dass du dich verkrümeln kannst, weil er in der Hybris ist und dich dann fertigmacht. Das ist keine proaktive Energie.

Trotzdem hört man heraus, dass Sie etwas von Demut halten.

Ringlstetter: Demut ist immer gekoppelt an Dankbarkeit. Das man checkt, dass man Glück hat, wenn man gesund ist. Das kann einen demütig machen. Auch wenn man seine Lebensziele ganz gut erreicht hat, weil man mit den richtigen Fähigkeiten ausgestattet ist und ein richtiges Umfeld hat, das es einem ermöglicht, sich zu entfalten. Weil es einfach Milliarden von Menschen gibt, die das nicht können. Es kann einen auch demütig machen, in einer Zeit zu leben, in der in Europa Frieden herrscht. Aus dieser Demut sollte das Bewusstsein entstehen, dass man auch etwas dafür tun muss. Vielleicht ist Demut überhaupt die Erkenntnis, dass nichts selbstverständlich ist.

Sollte unsere Gesellschaft insgesamt nicht so ichbezogen sein, weniger egoistisch?

Ringlstetter: Ich befürchte, dass es ein intellektueller Vorgang ist, der zu viel mit Reflexion zu tun hat. Mag sein, dass ein privilegierter Teil der Gesellschaft sich daran hält. Aber ich bin skeptisch. Ich glaube, dass beides drin ist im Menschen, Demut und Egoismus. Der Egoismus hat ja auch etwas Gutes: Abgrenzung ist ein gesunder Egoismus, der dazu führt, dass man Populisten nicht auf den Leim geht, weil man mitdenkt.

Und wohin kann es führen, wenn wir nicht zugleich auch demütig sind?

Ringlstetter: Ich habe darüber im Zusammenhang mit Helmut Kohls Tod nachgedacht. Es ist doch interessant, dass irgendwie keine rechte Trauer aufkam, weil man spürte, dass dieser Typ an dem, was bei uns in den 90er- Jahren passiert ist und wohin sich die Welt entwickelt hat, mitschuld ist. An diesem Turbokapitalismus, an dieser mitteleuropäischen Weiter-so-Denke. Wir spüren, dass er eigentlich viele problematische Werte transportiert hat, die uns heute um die Ohren fliegen. Kohl ist der Inbegriff der Nicht-Demut, der mit einem totalitären Gemüt ausgestattet war.

 

»Paris, New York, Alteiselfink«

Hannes Ringlstetter tourt durch Ostbayern mit »Paris, New York, Alteiselfink«: Fuchsmühl Gwäxhaus (9.7.), Passau Zeltfestival (12.7.), Regensburg Piazza (13.7.), Weiden Max-Reger-Halle (23.7.), Amberg ACC (3.8.), Dingolfing Stadthalle(5.8.), Neunburg v. W. Schwarzachtalhalle (9.8.).