Dem heißen Wetter im Sommer 1530 in Augsburg haben es die Evangelischen zu verdanken, dass sie mit ihrer Kirchengründung einen entscheidenden Schritt vorankamen. Als der sächsische Kanzler Christian Beyer während des Reichstags am 25. Juni 1530 die "Confessio Augustana", die große lutherische Bekenntnisschrift, "laut und ganz wohl" auf deutsch verlas, öffnete ein Bediensteter wegen der schwülen Hitze im Kapitelsaal der Augsburger Residenz die Fenster. Im Hof standen Kopf an Kopf die schon dem neuen Glauben zugeneigten Augsburger Bürger und verbreiteten schnell die "Neue Lehre" des Reformators Martin Luther.

Der Reformator selbst konnte dieses epochemachende Ereignis jedoch nur aus der Ferne verfolgen: Er saß äußerst missgelaunt auf der Veste Coburg, weil er im Reich wegen seiner Opposition zu Kaiser und katholischer Kirche "vogelfrei" war und den Schutzbereich seines sächsischen Kurfürsten nicht verlassen konnte.

Martin Luther vs. Thomas Cajetan

Die Reichsstadt Augsburg kannte Luther jedoch bereits von einer sehr unangenehmen und gefährlichen Disputation mit dem päpstlichen Legaten Cajetan. Im Oktober 1518 wurde er nach Augsburg einbestellt, um vor Cajetan Rede und Antwort zu stehen. Luther vertrat zwar unbeirrt seinen Standpunkt, fühlte sich aber zunehmend in Gefahr, als "Ketzer" verfolgt zu werden. Den "gerüsteten Scheiterhaufen" habe er vor Augen gesehen, weshalb er durch ein kleines Tor fluchtartig die Stadt verließ.

Gewohnt hat Luther während der Disputation im Augsburger Karmeliterkloster. Die Annakirche des Klosters wurde 1523 evangelisch, birgt aber eine kunsthistorische und ökumenische Rarität: 1509 errichtete die reiche Kaufmanns-Familie der Fugger in der Annakirche ihre prächtige Grabkapelle. Sie gilt als erstes Zeugnis der Renaissance in Deutschland und ist bis heute ein katholischer Bereich mitten in der evangelischen Kirche. Im ehemaligen Klosterkomplex erinnert die 1983 zum 500. Geburtstag des Reformators eingerichtete "Lutherstiege", ein kleines Museum das von Touristen gerne besucht wird, an das Wirken des Reformators in Augsburg.

Veste Coburg
Die Veste Coburg, auf der Martin Luther ein knappes halbes Jahr arbeitete und lebte.

Auch auf der Veste Coburg, dem Zufluchtsort Luthers während des Augsburger Reichstags, hat der Reformator seine Spuren hinterlassen. Seine damaligen Wohnräume sind als "Lutherzimmer" Anziehungspunkt für die Museumsräume der Veste. Ein halbes Jahr lebte Luther auf der Burg - beschützt von zwölf Nachtwächtern und zwei Türmern. Auch für das leibliche Wohl war ausreichend gesorgt: Luther und seine Gäste sollen reichlich konsumiert haben. Es kam so häufig Besuch - vor allem Freunde aus dem relativ nahegelegenen Nürnberg und die Reformatorin Argula von Grumbach - dass Luther schon befürchtete, die Veste werde "zu einer allgemeinen Wallfahrt".

Die Besuche konnten aber nicht verhindern, dass Luther durch die ihm aufgezwungene Untätigkeit in eine depressive Grundstimmung verfiel: Magenschmerzen und Ohrensausen machten ihm zu schaffen, die schwarzen Dohlen vor seinem Fenster schlugen ihm aufs Gemüt, außerdem starb während dieser Zeit sein Vater. Das alles hinderte Luther aber nicht, in der Abgeschiedenheit der Veste wie ein Berserker zu arbeiten. Er übersetzte Teile der Bibel ins Deutsche, begründete sein Übersetzungsprinzip, man müsse dem Volk aufs Maul schauen, in seinem "Sendbrief vom Dolmetschen" und schrieb über 120 Briefe, vornehmlich an seinen Mitstreiter Philipp Melanchthon, der die lutherische Sache auf dem Augsburger Reichstag vertrat. Damit wollte Luther dem eher behutsamen und diplomatischen Melanchthon, der "sanft und leise tritt", den Rücken stärken.

In Augsburg wurde auch nach dem Reichstag weiterhin Kirchengeschichte geschrieben

Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 setzte den blutigen Auseinandersetzungen zwischen den Konfessionen ein Ende und bescherte den Augsburgern mit dem "Hohen Friedensfest" einen Spezial-Feiertag. 1999 unterzeichneten Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirche in einem feierlichen Akt in der Annakirche die "Gemeinsame Erklärung", mit der sie alte Gräben aus der Reformationszeit einebneten.

Ein weiterer Schritt der Annäherung war das 500. Reformationsjubiläum, das bewusst als gemeinsames Christusfest gestaltet wurde. Dadurch sei Vertrauen aufgebaut und die "Geschwisterlichkeit" zwischen Protestanten und Katholiken sichtbar geworden, sagte der bayerische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Kardinal Reinhard Marx sprach sich anlässlich des Reformationstages für eine Wiedervereinigung der christlichen Kirchen aus.