Ich habe lange gegen Halloween gekämpft. Denn es fällt halt auf den Reformationstag. Unseren Gründungstag, irgendwie. Und das bedeutet: Gottesdienste feiern. Normalerweise abends nach der Arbeit – ist ja kein Feiertag mehr. Also, wenn alle draußen sind und Süßes oder Saures sammeln. Pfarrer*innen verteilen "Luther-Bonbons" und schnitzen Kürbisse mit Lutherrose. Als Zeichen des Protests. Kinder meiden das Pfarrhaus natürlich einfach. Klar.
Die große Frage ist: Sollten Christen sich gegen diesen ursprünglich heidnischen, verrückt konsumorientierten Feiertag wehren?
Inzwischen bin ich davon überzeugt: Wir können diesen Kampf nur verlieren. Gegen Verkleidung und Süßes kommt eigentlich nichts an. Und, es gibt gute Gründe, Halloween in die Kirchen zu holen. (Ich sag das nicht nur als Mutter, die es aufgegeben hat, mit ihren Kindern über Süßes oder Saures zu streiten. Sondern auch als Pfarrerin.)
Jesus starb den öffentlichen Tod
Als wir in den USA lebten, erfasste uns das Halloweenfieber. Kurz vor Halloween schlichen sich immer mehr Skelette in die Vorgärten. Skelette, die an einem Tisch sitzen und Karten spielen. Ein Skelett, das einsam auf einer Bank hängt, andere bewachen einen Eingang. Familien dekorierten ihre Häuser und planten Kostüme, die ganze Nachbarschaft war unterwegs, ein Riesenfest!
Mir wurde klar: Der Tod ist nie so sichtbar und so verspottet wie zu dieser Jahreszeit. Kurz bevor wir an unsere Verstorbenen denken. Den Tod sichtbar machen und des Todes Macht verhöhnen.
Ist es nicht genau das, was Jesus am Kreuz und bei seiner Auferstehung getan hat? Er starb den öffentlichsten Tod, hoch oben auf einem Hügel, sichtbar für alle, die Lust hatte, zuzuschauen. Und er nahm dem Tod die Macht. Das ist es, was wir jedes Jahr aufs Neue zu Ostern feiern. (Vielleicht ist es ja auch kein Zufall, dass es bei Halloween und Ostern viel zu viele Süßigkeiten gibt...)
Gott ist stärker als der Tod
Nur weil wir wissen, dass der Tod nicht über das Leben siegt, dass der Tod niemanden von Gott trennt, können wir auch Allerheiligen feiern. Wir trauern um unsere Lieben und wissen, dass sie bei Gott sind. Wir trauern um verpasste Chancen, erinnern uns an all die guten Zeiten und wundern uns über die schweren. Wir legen unsere Erinnerungen vertrauensvoll in Gottes Hände. Versichert, dass Gott stärker ist als der Tod. Dass der Tod uns nicht zu Tode erschrecken kann.
Deshalb stehe ich inzwischen voll hinter Halloween. Klar ist es leicht, sich über Geld zu beschweren, das für Süßigkeiten verschwendet wird. (Andererseits, kann man überhaupt Geld für Süßigkeiten verschwenden?)
Und noch etwas: Wann sonst öffnen wir unsere Haustüren für so viele Fremde? Wann verteilen wir so viele Geschenke - oft von Fremden an Fremde - nur um der Freude willen? Im besten Fall porträtiert Halloween, wie "allein aus Gnade" praktisch aussieht. Allein das ist schon ein Grund zum Feiern. Und es ist wahrscheinlich das, was die Toten sich von uns wünschen würden. Dass wir einmal friedlich zusammen Spaß haben. Und wissen, der Tod kann uns nichts anhaben. Die Geisterwelt auch nicht. Denn Gott ist stärker.
Die Gruselkirche: Verkleidung, Humor und Tanz
In Nürnberg Ziegelstein habe ich deshalb 2023 das 1. Mal zur Gruselkirche eingeladen am 31. Oktober um 17.00. Und sie kamen. Skelette und Hexen, Vampire und Monster, Werwölfe und Todesgestalten. In Begleitung ihrer Eltern (die meisten auch verkleidet!). Aufgeregt füllten ca. 120 kleine und große, junge und alte Geister die Melanchthonkirche, drängten sich in den ersten Reihen, um ja nichts zu verpassen.
Denn, so hatten sie ihre Kirche noch nie erlebt. Liebevoll gruselig dekoriert zu Halloween von Teamer*innen. Stundenlang hatten die Jugendlichen Spinnennetze gespannt, Kürbisse geschnitzt, Ballons aufgeblasen, Lichterketten aufgehängt. Dazu Snacks wie Spinneneier, blutige Fingerkekse und Wurstmumien.
Und dann feierten wir Gottesdienst. Mit einer echten Gruselgeschichte von der Geisterhand, die dem gotteslästernden König Belsazar seinen Tod ankündigt (nachzulesen in der Bibel im Buch Daniel, 5. Kapitel). Und mit Luthers Lieblingsrezepten gegen Angst vor den dunklen Mächten der Welt: Verkleidung und Humor, Psalm 23 und "Ein feste Burg ist unser Gott" (Da geht’s übrigens auch um Saures!). Und mit Tanzen in der Kirche. Das, so musste Martin Luther zugeben, war zwar zu seiner Zeit undenkbar. Denn, da wären die Leute vor Schock tot umgefallen. Aber heute, fand Luther, ist es eine grandiose Form, unsere Freude über Gottes Liebe zu zeigen. Und den Teufel so richtig zu ärgern. Denn, der mag keine angstfreien, fröhlichen Menschen. Danach strömten alle aus zum Süßigkeiten sammeln in der Nachbarschaft.
Das war unser Reformationsfest. Nicht gegen Halloween, sondern mit. So kann es gehen! Dieses Jahr feiern wir wieder. Mit neuer biblischer Gruselgeschichte. Am 31. Oktober, 17 Uhr, in der Melanchthonkirche Nürnberg.
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Warum dagegen kämpfen?…
Warum dagegen kämpfen? Halloween kommt wortgeschichtlich vom Allerheiligenabend. Es ist keine deutsche Tradition so ganz unchristlich aber nicht, denn an Allerheiligen/Allerseelen gedenken die Katholiken der Toten. Natürlich fließen da auch heidnische Traditionen mit ein, aber das ist bei christlichen Festen gar nicht so ganz ungewöhnlich. Das Reformationsfest ist ohnehin etwas eine Geisterveranstaltung - nicht nur, weil der Kirchenbesuch nachlässt sondern auch, weil die Reformation eine schwierige Veranstaltung ist. Sie war einerseits angesichts katholischer Auswüchse aufgelegt, hatte aber andererseits sehr komplexe Folgen, die auch mit Gewaltexzessen und dumpfen Nationalismus verknüpft sind. Da ist das Gehampel der Kinder eher unschuldiger. Die Deutschen und der Herbst, das ist eine komplizierte Mischung. Wie sooft ist die Reformation nicht ohne den Rest zu haben, auch wenn die Folgen keineswegs von Anfang an zwingend waren.
Man kann sich alles…
Man kann sich alles schönreden.
A propos „Süßigkeiten an Fremde verteilen“: Das gibt es im Rheinland schon ewig an St. Martin und aus Norddeutschland kenne ich es von früher an Nikolaus.
Nicht mitmachen,anders…
Nicht mitmachen,anders machen.
Die Idee finde ich toll.
Gut erklaert.
Natürlich, wer kämpft, der…
Natürlich, wer kämpft, der verliert. Wir ignorieren Halloween und feiern getrost und fröhlich den Reformationstag. Man muss nicht alles mitmachen.
Fröhlich sollte man die…
Fröhlich sollte man die Reformation nicht feiern. Dazu gibt es wirklich auch als Protestant keinen Grund.