"Es gibt in den weltweiten Konventen Mitbrüder, die sich für Luther schämen, weil er die Kirche in die Krise gestürzt hat, und andere, die stolz auf ihn sind, weil er Missstände öffentlich gemacht und verändert hat", sagt Pater Felix. Der 34-Jährige hat sich im Reformationsjahr intensiv mit Martin Luther auseinandergesetzt. Aus dessen Wirken ergibt sich für ihn ein klarer Auftrag: "Wir Augustiner haben eine besondere Verantwortung zur Ökumene."

Ökumenisches Veranstaltungsprogramm

Deshalb haben die Brüder von Maria Eich 2017 ihre ökumenischen Beziehungen zur evangelischen Waldkirche Planegg vertieft und ein gemeinsames Programm auf die Beine gestellt. Vor allem die ökumenische Mai-Andacht war für beide Seiten ein Erlebnis: Für die Protestanten, die nicht schlecht staunten über 400 Gottesdienstbesucher an einem normalen Sonntagnachmittag. Und für die Katholiken, die lernten, dass das Magnificat, der Lobgesang Mariens, auch für Luther ein wichtiger Text war – und man ihn problemlos mit den Glaubensgeschwistern beten kann. Pater Felix ist für solche Aha-Erlebnisse dankbar: "Es ist bei manchen Leuten immer noch viel Polemik aus den Jahrhunderten unterwegs."

Ort für Sinnsucher: Wallfahrtskirche Maria Eich

Ob zufällige Entscheidung, bessere Karrierechancen, die augustinische Spiritualität: Warum Martin Luther am 17. Juli 1505 ausgerechnet in den Augustinerorden eingetreten ist, weiß man nicht. "Es gibt von ihm selbst keine Aussage dazu", weiß Pater Felix. Allerdings sei Ordensgründer Augustinus für seine "Unruhe im Herzen" bekannt – vielleicht habe sich Martin Luther, der Suchende, davon angesprochen gefühlt.

Für Suchende ist auch der Augustinerkonvent in Maria Eich eine gute Adresse. Nur 25 S-Bahn-Minuten vom geschäftigen Stadtzentrum entfernt, warten hier die kleine Wallfahrtskapelle und der weitläufige Klosterwald, der Heimat ist für seltene Käfer und uralte Eichen. Um 1710 stellten zwei Buben eine Marienstatue in eine hohle Eiche, die immer mehr Gläubige zum Gebet anzog. Maria Eich gilt deshalb als Wallfahrtsort für die "kleinen Leute" mit ihren Alltagssorgen. Die Mönche sorgen dafür, dass der Ort sich weiterentwickelt. Seit Kurzem gibt es ein "Seelengärtlein": eine kleine Lichtung, die zur Ausszeit bei Blätterrauschen und Meditationsmusik einlädt. Gerade Stadtmenschen hätten oft ihre Wurzeln verloren. "Wir wollen ihnen einen Ort in der Natur anbieten, wo sie zur Ruhe finden können", sagt der Pater.

Hintergrund: Martin Luther und der Augustinerorden

AUGUSTINER UND REFORMATION: Wie viele andere Orden waren auch die Augustiner im 14. Jahrhundert vom Verfall geprägt: Die Mönche vernachlässigten Armutsgelübde und gemeinsames Gebet. Deshalb gründete sich innerhalb des Ordens eine Reformgruppe. Diese "Observanten" wollten das Klosterleben durch eine strengere Einhaltung der Ordensregel reformieren. In Deutschland schlossen sich die Observanten in der sächsisch-thüringischen Kongregation zusammen, die später von Johann von Staupitz, dem Förderer des Reformators Martin Luther, geleitet wurde.

LUTHER UND DIE AUGUSTINER: Am 17. Juli 1505 trat Martin Luther in den strengen Augustinerkonvent in Erfurt ein. Dort erhielt er seine theologische Ausbildung; 1511 wurde er nach Wittenberg versetzt und übernahm dort 1512 die Bibelprofessur. Das verlieh ihm eine Außenwirkung, ohne die die Reformation nicht möglich gewesen wäre. Allerdings stürzten die Ideen von Luther & Co. die Augustiner in eine tiefe Existenzkrise: Von 160 deutschen Augustinerkonventen verschwanden 69; Luthers sächsisch-thüringische Kongregation löste sich komplett auf. Heute gibt es weltweit 2.800 Augustinermönche, 80 davon in zwölf deutschen Konventen.