Mit dem umfassenden Prozess "Innovation Bildung 2017" hat sich die Evangelische Erwachsenenbildung in Bayern neu aufgestellt, ihre Angebote auf die Bedürfnisse einer sich wandelnden Gesellschaft ausgerichtet, die Vernetzung mit den Dekanaten und Gemeinden verstärkt und neue regionale Bildungslandschaften geschaffen. Mit einem Beschluss der Landessynode, der ebenfalls die Erwachsenenbildung stärkt, ist dieser vierjährige Prozess zu Ende gegangen. Oberkirchenrat Detlev Bierbaum erläutert im epd-Gespräch die Ergebnisse und gibt einen Ausblick auf die weitere Entwicklung der evangelischen Bildungsarbeit.

 

Den Innovationsprozess haben Sie 2013 in einem Interview mit der Erwartung verbunden, dass lebensfähige Bildungswerke in den Regionen sinnvoll miteinander kooperieren, sich konsequent an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten, neue Zielgruppen erreichen und in der Kirche unverzichtbare Dienstleister sind. Haben sich diese Erwartungen bestätigt?

Detlev Bierbaum: Ja, die Erwartungen haben sich bestätigt. Der Zwischenbericht zur Evaluation, an der sich 100 Prozent der Bildungswerke beteiligten, zeigte, dass der Prozess "Innovation Bildung 2017" in die richtige Richtung gegangen ist. 70 Prozent der hauptamtlich und 57 Prozent der ehrenamtlich geführten Bildungswerke betonen die deutlichere Wahrnehmung und bessere Verortung der Erwachsenenbildung. Initialzündung waren die Denkwerkstätten. Hier brachten die Bildungswerke verschiedene Akteure aus dem kirchlichen und nicht-kirchlichen Bereich ins Gespräch, um Ideen für eine neue Profilierung zu gewinnen.

Regionale Bildungsprozesse wurden gefördert, die den Bedürfnissen und Forderungen nachkommen. Beispielgebend hierfür waren und sind die Fortbildungen und die Begleitung von Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit. Es kam zu einer verstärkten Unterstützung von Kirchengemeinden, zu verbesserten Vernetzungen mit anderen Bildungsanbietern im Sozialraum, zum Beispiel mit diakonischen Trägern und mit nicht-kirchlichen Initiativen. Auch die Vernetzung von landesweiten Diensten und ihren Bildungsangebote mit den Bedarfen auf regionaler Ebene wird immer stärker.

 

Welche neuen Formate haben sich im Laufe des Prozesses bewährt und sollten zum Standard der evangelischen Erwachsenenbildung werden?

Bierbaum: In den Projekten, die die Bildungswerke im Rahmen des Innovationsprozesses bislang durchgeführt haben, zeigt sich eine Vielfalt von Formaten. Der Vortrag ist ja schon längst nicht alles. Es geht immer mehr um Bildungsprozesse, die in einem Dekanatsbezirk, in Kirchengemeinden - auch regional vernetzt - angestoßen und begleitet werden. Was ist dran, etwa im Blick auf eine immer älter werdende Gesellschaft? So wird intensiv über neue Modelle der Seniorenarbeit nachgedacht, um die Lebensqualität im ländlichen Raum zu steigern. In städtischen Kontexten haben die Vernetzungen mit Akteuren der Zivilgesellschaft zugenommen. Neue Kooperationen schaffen neue Formate zu Themen einer Stadtgesellschaft, zum Beispiel lokal in Bamberg. Dabei geht es auch um Initiativen zu gelebter Nachbarschaft, was wiederum in die Kirchengemeinden hinein wirkt. Selbstverständlich gehören Elternkurse, Glaubenskurse und Fortbildungen von Ehrenamtlichen zu den verlässlichen Serviceleistungen, um Entwicklungen in den Dekanatsbezirken zu fördern.

 

Hat "Innovation 2017" neue Erkenntnisse oder Herausforderungen gebracht, mit denen beim Start des Prozesses noch gar nicht zu rechnen war?

Bierbaum: Zunächst: Es hat sich eine Dynamik entfaltet, die in dieser Intensität nicht absehbar war. Viele Dekanatsbezirke haben die Erwachsenenbildung neu entdeckt. Das hat mit aktuellen Herausforderungen zu tun: Abbruch von religiöser Tradition, neue Wege zu gesellschaftlicher Teilhabe und Partizipation, regionale Zusammenarbeit von Kirchengemeinden. Deutlich wurde, dass die Erwachsenenbildung eine wichtige Rolle in der Kirchenentwicklung spielt. Eine unerwartete Herausforderung allerdings ist die Umsetzung einer neuen staatlichen Verwaltungsvorschrift, die den Bildungswerken die zentrale Programmverantwortung für die Veranstaltungen überträgt, die in die Statistik aufgenommen werden. Zur Entlastung für die Pfarrämter wird gerade eine Schnittstelle von dem Portal "Evangelische Termine" zu den Websites der Bildungswerke und der Statistikprogramme geschaffen. Diese Koordinierung steht kurz vor Abschluss. Das wird eine große Entlastung vor Ort sein.

 

Beim 50. Jubiläum der Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Erwachsenenbildung sagten Sie, dass die Bildung auch im Medienzeitalter die "Begegnung von Mensch zu Mensch" benötige. Wie lässt sich das umsetzen?

Bierbaum: Bildung von unserem christlichen Fundament her gedacht bezieht sich auf den ganzen Menschen. Begegnungen face-to-face sind dabei unerlässlich, denn es geht oft um existenzielle Themen: Sinn des Lebens, Beziehungen, Schuld, Sterben und Tod, Hoffnung, Freude. Es sind spirituelle Themen im weitesten Sinn. Das alles fordert ein Gegenüber. Um diese Begegnungen zu ermöglichen, brauchen wir Orte, die von unseren Einrichtungen und Gemeinden gestaltet werden. Dabei entfalten dann aber auch ungewöhnliche Lokalitäten eine anziehende Attraktivität, zum Beispiel ein Kunstatelier. Das ist dann aber auch nicht alles - abgekürzt: Der Chatroom hat Bedeutung und gewinnt immer mehr an Gewicht.

 

Der erfolgreiche Zieleinlauf von "Innovation 2017" fiel zeitlich auf den Start des großen kirchlichen Reformprozesses "Profil und Konzentration" (Puk). Wie passen die beiden Prozesse zueinander?

Bierbaum: Als Handlungsebene gewinnt die Region in Zukunft an Bedeutung. Das neue Bildungskonzept der ELKB sieht in der Gestaltung von regionalen Bildungslandschaften eine Voraussetzung für zukunftsfähiges Bildungshandeln. Dieser Gedanke leitet uns auch bei der Erwachsenenbildung. Dabei ist die Bildung von Regionen im Rahmen des landeskirchlichen Prozesses "Profil und Konzentration" zu gestalten; die Dynamik der beteiligten Dekanatsbezirke und das regionale Spiel der Kräfte sind zu beachten. Es gilt, sinnvolle und lebbare Bildungsregionen von unten zu entwickeln. Hilfreich ist, ein gemeinsames Zielbild zu haben, das alle Verantwortlichen partizipativ entwickeln und mittragen. Vernetzung ist das Kriterium, um die Potenziale innerhalb einer Region auszuloten, effizient einzusetzen und Doppelungen zu vermeiden.

Die Regionenbildung kann und muss allerdings im Blick auf künftige Entwicklungen ein gewisses Maß an Flexibilität haben, sozusagen ein atmendes Konzept sein. Im Rahmen der Regionalisierung können sich Kooperationen verstärken. Gegebenenfalls sind auch Fusionen anzustreben, damit Einrichtungen entsprechend der Kriterien für die staatliche Förderung leistungsstark sind.

 

Welche nächsten Schritte stehen bei der Erwachsenenbildung nach "Innovation 2017" an?

Bierbaum: Die Neupositionierung der Evangelischen Erwachsenenbildung sieht ein kirchlich verankertes flächendeckendes Netzwerk regionaler und hauptamtlich geführter Bildungseinrichtungen vor, das sich künftig organisiert im Zusammenspiel von Bildungswerken, Stadtakademien und Bildungszentren im ländlichen Raum und anschlussoffen ist für Bildungsarbeit von Diensten und Werken (etwa Diakonie, Amt für Gemeindedienst). So geschieht integrierendes Bildungshandeln unter der Wortmarke "Bildung evangelisch". Realisierung und Konkretisierung der Neupositionierung stehen nun konkret an. Es geht um die praktische Umsetzung. Das wird partizipativ im Zusammenspiel der verschiedenen Institutionen und Verantwortungsträger zu gestalten sein.

Die Bildungswerke und die mittlere Leitungsebene, gegebenenfalls auch weitere Bildungseinrichtungen, werden in Form von "Runden Tischen" passende Bildungsregionen ausloten, um vorhandene Potenziale und Ressourcen sinnvoll zu nutzen. Ich freue mich, dass wir jetzt so weit sind und danke allen - vor allem auch der Steuerungsgruppe - von Herzen, die diesen Prozess bis jetzt schon mitgetragen haben.

Beitrag der Evangelischen Funkagentur vom 29. November 2015 über die 2. Denkwerkstatt Erwachsenenbildung am 24.11.2015 in Weiden

"INNOVATION BILDUNG 2017"

800.000 Euro hat das bayerische "Kirchenparlament", die Landessynode der evangelischen Kirche in Bayern, für den vierjährigen Prozess "Innovation Bildung 2017" zur Verfügung gestellt. Zusätzlich wurden neue Stellen für Religionspädagoginnen und Religionspädagogen in der Erwachsenenbildung geschaffen. Eine Öffentlichkeitskampagne sollte der größeren Transparenz und besseren Partizipation dienen.

Hintergrund des Prozesses "Innovation Bildung 2017" war ein ernüchternder Befund: Die "Statistik", die die Evangelische Erwachsenenbildung (EEB) über das bayerische Erwachsenenbildungsförderungsgesetz (EBFöG) einbringen kann, geht zurück. Eine zurückgehende Statistik bedeutet auch weniger Geld. Davon sind die Bildungswerke vor allem im Personalbereich betroffen, denn die theologisch-pädagogischen Stellen in einem Bildungswerk sind weitgehend durch staatliche Gelder finanziert

Ziel von "Innovation Bildung 2017" war deshalb, die Evangelische Erwachsenenbildung in Bayern zu stabilisieren und in Teilen neu auszurichten. Das Konzept wurde in Zusammenarbeit von der evangelischen Landeskirche Bayern und der AEEB (Arbeitsgemeinschaft für evangelischer Erwachsenenbildung in Bayern) entwickelt.