Bayern hat gewählt. Rund 1,8 Millionen Menschen waren bis zum 20. Oktober in über 1500 Kirchengemeinden aufgerufen, aus etwa 14 000 Kandidierenden das Leitungsgremium ihrer Kirchengemeinde zu wählen. Laut Landeskirche haben – wie schon bei der letzten Kirchenvorstands-Wahl 2018 – über 25 Prozent der Evangelischen im Wahllokal oder per Briefwahl ihr Kreuzchen gemacht.
Die höchste Beteiligung war demnach bei den ganz Jungen und den Älteren zu verzeichnen: Jeweils über 30 Prozent der 14- bis 16-Jährigen sowie der über 60-Jährigen haben ihre Stimme abgegeben.
Der Blick auf die Kandidierenden lohnt sich: Wer sich hat aufstellen lassen, ist ein echter Überzeugungstäter. Meist sind es Täterinnen: Der Anteil der gewählten Frauen liegt laut Landeskirche bei 53 Prozent, wie schon 2018. Und es sind nicht mehr vorwiegend Akademiker auf den Wahlzetteln zu finden, sondern zunehmend Einzelhandels- oder Bürokaufleute, Landwirte oder Handwerker.
Die Kirche ist auf dem Rückzug
Aus dem Amt, das noch vor wenigen Jahren echte Ehrensache war, wurde jedoch auch diesmal vielerorts eines, für dessen Übernahme man händeringend Interessenten suchte – hat das Image der Kirchen vor allem nach den Missbrauchsfällen doch stark gelitten. Und dann gibt es noch konservativ denkende Mitglieder, denen die politische Einmischung der Kirchenleitungen zu stark und zu einseitig ist.
Man kann es nicht wegdiskutieren: Die Kirche ist auf dem Rückzug. Mitglieder treten aus, Kinder werden vielerorts gar nicht erst getauft. Auf Gemeindeebene reagiert man mit Zusammenschlüssen. Allerorts werden Pfarreien neu gegründet. Oft aus der Not, wegen fehlender Mitglieder in den Gemeinden keine Pfarrstellen mehr einrichten zu können.
So wächst gerade im ländlichen Bereich zusammen, was für viele Menschen dort gefühlt nicht wirklich zusammengehört, da das Kirchturmdenken immer noch stark in den Köpfen verankert ist. An dieser Stelle müssen die neu gewählten Kirchenvorstände ansetzen.
Zum Aufbruch gibt es keine Alternative
Vielfach sitzen dort nun weniger Postenliebhaber, sondern Gestaltungswillige, die in den nächsten Jahren ihre Gemeinde weiterentwickeln. Dazu gehören frische Ideen, um die Gemeinde innerhalb der Dorf- und Stadtgesellschaft als wichtigen Player zu platzieren, der sich nicht in den eigenen Kirchenmauern versteckt.
Den Menschen, die sich für sechs Jahre Ehrenamt in ihrer Kirchengemeinde entschieden haben, ist zu wünschen, dass sie ihre Ideen selbstbewusst formulieren, alte Zöpfe abschneiden, sich trauen, andere Wege zu gehen. Zum Aufbruch gibt es keine Alternative.
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