Die Berliner Mauer und die innerdeutsche Grenze hatten vom August 1961 bis zum November 1989 Bestand, das waren 28 Jahre und drei Monate. Vom November 1989 an existierte dieses fürchterliche Bauwerk nicht mehr, das sind 27 Jahre und elf Monate. Das heißt: Ab Februar nächsten Jahres wird die Zeit, in der die Mauer bestand, kürzer berechnet als die Zeit, in der sie nicht mehr steht.

Man sollte meinen: Dann sind auch die Folgen dieses Bauwerks geringer bemessen als das, was jetzt ohne Mauer an Freiheit und guter Entwicklung möglich wurde. Zum Beispiel: Der Einfluss des christlichen Glaubens auf die deutsche Gesellschaft müsste wieder angewachsen sein und nicht mehr wie in den Zeiten der DDR ständig am abnehmen gewesen sein.

Negative Auswirkungen meist nachhaltiger

Solche und ähnliche Rechnungen laufen ins Leere. Man kann grundsätzlich annehmen, dass die schwierigeren und nachteiligeren Entwicklungen einer Gesellschaft - gemessen an ihrer Dauer und an ihrer Wirkung - meistens von einer größeren »negativen« Nachhaltigkeit bestimmt sind als die guten Entwicklungsphasen. Dieser Geschichtspessimismus ist leider auch für die Entwicklung des vereinigten Deutschlands nach 1990 zutreffend.

Zutreffend bleibt - Gott sei Dank - aber auch die bekannte Beschreibung von Gottes Wirken in der Geschichte, die in den Klageliedern Jeremias zu finden ist: »Die Güte des Herrn ist's, dass wir nicht gar aus sind und seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende.« Für mich heißt das: trotz vieler negativer Geschichtserfahrungen traue ich Gott zu, dass er mit seiner Ausdauer letztlich alles zum Guten wenden und wirken wird. Dafür ist Geduld angesagt.