Als Michael Jerszynski und Hartl Berchtenbreiter auf den Turm der St.-Vitus-Kirche des 200-Einwohner-Dörfchens Veitriedhausen bei Lauingen stiegen, wollten sie beim Durchstöbern etwas finden, was ihnen bei der geplanten Chronik über das Dorf helfen könnte. Auch einen Film wollen sie drehen, der im kommenden Herbst vorgestellt wird.

Doch dann stießen sie auf eine kleine Sensation: In einer Mauernische lag eingewickelt ein grauer Abendmahlskelch aus Zinn. Die beiden Chronisten ließen ihn von Experten untersuchen. Ergebnis: Das Gefäß ist der wohl einzige komplett erhaltene derartige Kelch nördlich der Alpen aus der Zeit um 1550.

Öffentlich präsentiert werden soll der kostbare Fund als Leihgabe im Rahmen der Ausstellung »FürstenMacht und wahrer Glaube« in Neuburg.

»Was er alles überstanden hat«

»Wir schauten in jedes Loch«, erinnert sich Michael Jerszynski an jenen Tag. Die Männer entdeckten vieles, was auch eine Rolle in ihrem Film spielen wird. Das spannendste Fundstück ist jedoch der dunkle Kelch.

Michael Jerszynski, der den Fund im Turm der aus der Romanik stammenden kleinen Kirche von Veitriedhausen machte, staunt noch heute, wenn er den grauen Zinnkelch in die Hände nimmt: »Was er alles überstanden hat. Den Dreißigjährigen Krieg, sechs Konfessionswechsel im Ort, die Napoleonischen Kriege und zwei Weltkriege. Dazu Plünderungen und die Beschlagnahmung von Metallen in der Zeit des Nationalsozialismus.«

Darüber hinaus wechselte Veitriedhausen, das zur Zeit der Reformation aus acht Höfen bestand, mehrmals seine Zugehörigkeit zu Kirchengemeinden. Ursprünglich hatte es zu Gundelfingen gehört, ab 1929 zu Frauenriedhausen. Seit 1989 gehört das Dorf kirchlich zu Lauingen.

Seine Herkunft ist offen

Gerade dass der Kelch unspektakulär aussieht und bis auf zwei Rillen keinerlei Verzierungen aufweist, macht ihn so besonders. Katholisches sakrales Gerät, das zur Kommunion verwendet wird, muss golden oder vergoldet sein. Es war also rasch klar, dass das Fundstück nicht in die katholische Geschichte der St.-Vitus-Kirche passte.

Doch es gab jene Jahre, in denen wechselnde Herrscher wechselnde Konfessionen brachten, darunter einmal eine Phase von etwa 60 Jahren, in denen das Kirchlein von Veitriedhausen evangelisch war. Aus dieser Zeit muss der Kelch stammen. Darauf gibt es eine Reihe von Hinweisen: Der Abendmahlskelch ist aus fast reinem Zinn gefertigt. In Lauingen sind um die Zeit der Reformation zwei Zinngießer nachgewiesen. Zinnsärge in der Herzogsgruft der Lauinger Kirche St. Martin stammen aus derselben Zeit.

Wer genau den Kelch auf welche Weise geformt hat, ist nicht nachzuweisen. Ein Stempelabdruck oder ein Handwerkszeichen wurde bei den Untersuchungen des Kelchs nicht entdeckt. Seine Geschichte wird daher kaum genauer zu klären sein. Doch Jerszynski und Berchtenbreiter möchten ihn Interessierten auch nach der Rückgabe aus Neuburg zeigen. Vielleicht in der Kirche selbst? Dazu muss man sich in Veitriedhausen jedoch erst über Panzerglas und Versicherungen informieren.