Seit Olaf J. denken kann, interessiert er sich für den Norden: Skandinavien und Großbritannien, schreibt er in seiner Kundenrezension für die Schweizer Firma »igenea«, hätten ihn schon immer begeistert. Mit einer Genanalyse habe er nun eine Erklärung für diese Leidenschaft gefunden: Mütterlicherseits stamme er von den Wikingern ab, väterlicherseits habe er genetische Verwandte in Großbritannien, erklärt er.

Ahnenforschung dank DNA-Tests klingt einfach: Ein bisschen Speichel, eine Analyse im Labor, und ein paar Wochen später dann kommt das Ergebnis. Und damit das scheinbare Wissen, beispielsweise von den Phöniziern oder Wikingern abzustammen oder aber auch Tutanchamun oder Che Guevara zu seinen Vorfahren zu zählen. Das Geschäft mit den Gentests boomt. Die Kosten liegen – je nach Firma und Angebot – zwischen unter 100 bis über 1.000 Euro.

Mit DNA-Tests Verwandte finden

Mit Hilfe einer DNA-Analyse sei es möglich, festzustellen, aus welcher Region die Vorfahren eines Menschen kämen, sagt der Geschäftsführer von »igenea«, Roman Scholz. Im Labor werde eine bestimmte Position auf der DNA ermittelt und dann mit anderen DNA-Profilen verglichen. Rund 850.000 Kundenprofile habe die Firma inzwischen. Außerdem greife sie auf zahlreiche Studienergebnisse zurück, die öffentlich zugänglich seien. Je mehr Profile, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, einen genetischen Cousin zu finden, sagt Roman Scholz. »Wir suchen nach Gemeinsamkeiten.«

Bei Ahnenforschern, Genealogen, stößt das Verfahren auf großes Interesse. DNA-Tests seien eine Möglichkeit, unbekannte oder vermisste Verwandte aufzuspüren, sagt Dirk Weissleder, Vorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft genealogischer Verbände. Denn wenn es keine Dokumente mehr gebe, sei eine Genanalyse möglicherweise die einzige Chance, Hinweise auf noch lebende Angehörige zu erhalten.

Datenschützer kritisieren DNA-Tests für Ahnenforschung

In den USA seien beispielsweise zwischen 1854 und 1929 rund 200.000 Waisenkinder aus Großstädten in ländliche Gegenden umgesiedelt worden, sagt er. Für die Nachfahren dieser Kinder sieht Weissleder in einer Genanalyse eine Chance, etwas über ihre Familiengeschichte zu erfahren.

Aber er wirft auch ethische Fragen auf: »Wenn ich meinen Genomsatz analysieren lasse, dann gebe ich damit auch die genetischen Informationen meiner ganzen Familie preis. Es ist dann nicht nur ein individuelles Problem, sondern auch ein Problem derer, die da nicht gefragt werden, sondern gleichzeitig davon erfasst werden.« Weissleder erinnert an den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte. Durch die Analyse eines Speicheltests würden große Mengen an Informationen gewonnen. »Und die Frage ist: Wie gehen wir damit um?«

Wissenschaftler bezweifeln Genauigkeit

Neben Datenschutzbedenken gibt es auch wissenschaftliche Zweifel. Stephan Schiffels analysiert am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena Genom-Daten aus archäologischen Funden sowie von heute lebenden Menschen. Inzwischen könne zwar schon viel aus den Genen abgelesen werden, sagt er. Bei Afroamerikanern, so Schiffels, könne man beispielsweise sehr genau sehen, welche Abschnitte auf den Chromosomen eher afrikanischen und welche eher europäischen Ursprungs seien.

Innerhalb von Europa sei eine genetische Herkunftsbeschreibung jedoch schon viel schwieriger, weil die Herkunftslinien hier zu eng beieinander seien. Abzulesen, zu wie viel Prozent ein Mensch beispielsweise tschechische Wurzeln habe und zu wie viel Prozent er deutsch sei, sei derzeit kaum möglich. »Das ist alles zu nah beieinander, so dass das extrem schwierig wird,« sagt Schiffels. Ganz zu schweigen davon, dass viele Firmen gar nicht das ganze Genom sequenzierten.