Rüdiger von Voss wartete am Abend des 8. November 1944 vergeblich auf seinen Vater. Der wollte kurz zum Heinersdorfer See laufen, um Fisch zu kaufen. Doch er ging in den Wald und erschoss sich. Hans Alexander von Voss (1907-1944) gehörte zum militärischen Widerstand und war in die Planungen des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 eingebunden. Er wollte bei einer Festnahme um keinen Preis weitere Namen verraten.

Witwen und Kinder der Widerstandskämpfer geprägt von Kummer

Mehr als 70 Jahre sind seit dem gescheiterten Attentat auf Hitler vergangen. Im Juli 1973 wurde die Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944 gegründet. Am Wochenende feierten rund 150 Gäste bei der "26. Königswinterer Tagung" in der Stadt am Rhein das 40-jährige Bestehen der Einrichtung. Rüdiger von Voss, der zu den Gründungsmitgliedern zählt, berichtete von den schwierigen Anfängen.

Für die Witwen und Kinder der Widerstandskämpfer sei die Nachkriegszeit geprägt gewesen von Not, Entbehrung, Kummer und Leid, sagte Voss. "Der Krieg war verloren, die Zukunft ungewiss." Die Familien und Angehörigen der Widerstandskämpfer seien isoliert gewesen und noch lange diskriminiert worden, zumal die Attentäter des Verrats bezichtigt wurden. "Der Umgang mit den Toten blieb den Witwen und Kindern überlassen", erinnerte sich Voss.

Traumatisierung der Überlebenden

Die "Traumatisierung der Überlebenden" habe dazu geführt, dass sich Kinder und Angehörige der Widerstandskämpfer nach Kriegsende in ihr Privatleben zurückzogen und über das eigene Schicksal schwiegen. Auf sich selbst angewiesen, hätten Mütter und Kinder erst ihren Weg finden müssen, die Trauer zu verarbeiten.

Gleichwohl habe sich die "Erzählung des Unaussprechlichen" auf das Gemüt der Kinder übertragen, erzählte Voss: "Unsere Väter wurden zu unerreichbaren Helden, die uns verlassen hatten, ohne uns eine Spur für einen lebenswerten Weg zu zeigen." Die meisten Kinder habe dieser "Schatten des Todes" ihr Leben lang begleitet. "Es kam darauf an, sich ein eigenes Bild von den Toten zu machen und durch das eigene Tun den Geist des Widerstands aufzunehmen", erklärte Voss. Es habe lange gedauert, eine eigene Sprache für das Geschehene zu finden.

Liebenzeller Treffen in de 1960er Jahren

Es dauerte über ein Jahrzehnt, bis sich die Nachkommen der Widerstandsfamilien endlich trafen. Die "Liebenzeller Treffen" zwischen 1956 und 1964, die von Renate Gräfin Hardenberg und Gertrud Lampe organisiert wurden, sollten die Familien des Widerstands aus der Isolierung holen. Aus diesen Begegnungen erwuchsen eine Verbundenheit sowie Freundschaften, die die Basis bildeten für die Gründung der Forschungsgemeinschaft.

In den Jahren zwischen 1971 bis 1973 kam es laut Voss zu einer Politisierung der Treffen. Bei den Tagungen in Glashütten und Schmitten gingen die Meinungen um die Aufgabe und Bedeutung der Tagungen auseinander. Dies hatte schließlich zur Folge, dass es am 20. Juli 1973 zur Gründung der "Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944" kam - als Ergänzung der bereits bestehenden "Stiftung 20. Juli", die bis heute in Berlin tätig ist.

Wissenschaftliche Tätigkeit der Forschungsgemeinschaft

Damalige Einwände, eine Forschungsgemeinschaft sei unnötig, weil die Geschichte des Widerstands bereits weitgehend erforscht sei, hätten sich als ungerechtfertigter Einwand erwiesen, betonte Voss. Dies belegten nicht zuletzt die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die in der Schriftenreihe der Forschungsgemeinschaft publiziert werden.

Nach Voss' Worten sehen sich etliche Nachkommen des Widerstands in einer "verpflichtenden Tradition", die Erinnerung an die Widerstandskämpfer zu bewahren und die Forschungen auf diesem Gebiet fortzuführen. Tatsächlich gehören Nachkommen der Familien Stauffenberg, Schlabrendorff, Delp, Pfuhlstein, Rathgens, Haeften und Schwerin zu den Mitgliedern.

Vermächtnis des Widerstands

Nach Angaben des Vorsitzenden Friedrich von Jagow geht es der Forschungsgemeinschaft darum, das Vermächtnis des Widerstands nachhaltig in der Gesellschaft zu verankern. "Es muss uns gelingen, die Geschichte an die Generation der Enkel und Urenkel weiterzugeben", sagte Jagow. Die Forschungsgemeinschaft biete deshalb Workshops und Camps für Schüler, junge Erwachsene und Studierende an. Denn: "Wenn sich ein junger Mensch einmal für das Thema Widerstand interessiert, wird daraus oft ein Lebensthema."