Bunt und üppig präsentiert das Glasmuseum Wertheim im Main-Tauber-Kreis in einer Sonderausstellung Raritäten unter den Weihnachtsbäumen. Dazu gehört etwa der rund vier Meter hohe »Thüringer Baum« mit 500 im Licht funkelnden Glasfiguren. Vom 2. Dezember bis 7. Januar zeigt das Museum im Norden Baden-Württembergs auf einer Ausstellungsfläche von rund 650 Quadratmetern zehn geschmückte Weihnachtsbäume.

Zu sehen sind unter anderem ein mit Naschwerk und großen Farbglaskugeln geschmückter »Biedermeier«-Baum, ein »Islamischer Lichterbaum« mit Nachbildungen islamischer Moscheelampen nach einem Original im Glasmuseum aus dem 8. Jahrhundert, ein mit goldenen und silbernen Girlanden geschmückter »Leonischer Baum« oder ein mit Engelshaar und pastellfarbenen Kugeln verzierter 50er-Jahre-Baum.

Glas statt Äpfeln und Nüssen

»Mit der Ausstellung der mehr als 100 Jahre alten historischen Christbaumschmuck-Sammlung mit rund 1.000 weihnachtlichen Exponaten von 1860 bis heute erinnern wir auch an die Herkunft der Wertheimer Laborglasindustrie aus Thüringen«, erklärt Kunsthistorikerin Barbara Benz. Dort nämlich verarbeiteten gegen Ende des 19. Jahrhunderts Glasbläser erstmals Glasröhren und Glasstäbe »vor der Lampe«.

Seit 1880 ist der Ort Lauscha in Thüringen eine der ersten Adressen für gläsernen Christbaumschmuck. Einer Legende nach hatte ein Lauschaer Glasbläser 1847 die Idee, farbige Glaskugeln für den Christbaum herzustellen - anstatt der teuren Walnüsse und Äpfel. Schon 1867 begann in dem thüringischen Ort die Massenproduktion von Christbaumschmuck durch den Bau einer »Gasanstalt«, durch verbesserte Brenner mit höheren Temperaturen, durch eine neuartige und ungiftige Versilberungsmethode sowie durch eine neue Farbpalette durch Anilinfarben, erklärt Benz.

»Damals half die ganze Familie in dem Handwerk mit«, erzählt Benz. Ein 16-Stunden-Arbeitstag war die Regel, meist wurde in den eigenen Wohnräumen produziert und die Ware musste egal bei welchem Wetter täglich ausgeliefert werden. Der Vater übernahm das Aufblasen zur Glaskugel und das Einblasen in die Form. Das Verzieren, Bemalen, Versilbern oder Anbringen von Fäden und Quasten war hingegen Aufgabe der Frauen und Kinder.

 

Glasbläser Ralf Marlok
Glasbläser Ralf Marlok

Als einer von drei Glasbläsern arbeitet der Wertheimer Ralf Marlok mit einer Zwei-Drittel-Stelle im Museum. Bei den täglichen Vorführungen am frühen Nachmittag hält er im vorderen Drittel des Gebäudes zwei Glasröhren mit langen Stielen über die 1.200 Grad heiße und zischende Flamme seiner Gebläselampe. Gläser, kunstvolle Vasen, Kugeln oder sogar Fische entstehen binnen weniger Minuten, die der gelernte Glasbläser fast im Akkord anfertigt.

Die kunstvoll gestalteten Weihnachtsbäume sind geschmückt mit Engeln, Glocken, Rehen, Vögeln, Früchten, Musikinstrumenten, Spielzeug und Kugeln. Aber auch Märchenfiguren wie Max und Moritz sind zu finden oder in den Glasvitrinen moderner Glasschmuck nach Art der Künstlerin Niki de Saint Phalle - oder etwa eine Figur im tanzenden Gangnam-Style.

 

Max und Moritz als Christbaumschmuck.

Laborglas, Schalen, Vasen, Thermometer, Kaleidoskope oder Ägyptisches Glas präsentiert das Wertheimer Glasmuseum zudem, das es bereits seit 1976 gibt. Tausende von Glasutensilien befinden sich seither im Besitz des Museums, darunter zahlreiche Glaskrippen oder Schmuck für die Weihnachtszeit.

Gegründet wurde das Wertheimer Glaswerk von dem thüringischen Glasphysiker, Sammler und Unternehmer Hans Löber (1900 bis 1978) und dem Trägerverein Wertheimer Glasmuseum. Mit der Museumsgründung fiel ein Großteil seiner Sammlung in den Besitz des Museums. Einerseits zur Präsentation der alten Handwerkskunst, andererseits aber auch, um junge Glaskünstler zu fördern.

Viele der heute noch in Wertheim ansässigen Glasunternehmer kamen aus der ehemaligen DDR. Zumeist waren sie nach dem Zweiten Weltkrieg geflüchtet vor Repressalien in der Sowjetischen Besatzungszone. In Wertheim standen in dieser Zeit mehrere Industriehallen leer, man baute im Jahr 1950 rasch eine erste Glashütte mit finanzieller Unterstützung des Landes Baden. Rund 500 Mitarbeiter waren darin beschäftigt, so dass alsbald auch in Wertheim die Glasindustrie florierte.

AUSSTELLUNGS-INFOS

Die Ausstellung »Christbaumschmuck aus Glas« ist noch bis 7. Januar im Glasmuseum Wertheim zu sehen. Daneben gibt es noch die Historische Christbaumschmuck-Sammlung im Kleinen Haus, die man das ganze Jahr über besuchen kann.

ÖFFNUNGSZEITEN: Dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr, samstags, sonntags und an Feiertagen von 13 bis 18 Uhr.

www.glasmuseum-wertheim.de