Jodeln verbindet. Das merkt man schnell beim Jodel- und Wanderwochenende mit der Münchner Stimmtherapeutin Ruth Seebauer auf dem Gipfel des Hochries im Chiemgau. Die kurzen Silben des "Lungötza Zwoarer" sorgen erstmal für Heiterkeit beim Einstudieren: "Ho la ri ti djo e ri ti djo e ha la rei dul ja".

Mit der auf der Gitarre angestimmten Begleitmelodie im Ohr, trauen sich die acht Teilnehmer schnell, die einzelnen Lagen mit lauter Stimme erklingen zu lassen. Immer wieder sorgen Lacher für Heiterkeit in der Gruppe, bevor sie den "Zwoarer" im sonoren Kanon erneut anstimmt. Am Tag davor haben die Jodel-Novizen spontan Gäste auf der Hochrieshütte mit einem improvisierten Geburtstagsständchen überrascht.

Positive Wirkung auf Gesundheit

"Hier mitten in dieser großartigen Natur, mit dem Blick vom Gipfel auf das Tal weit unten, fühle ich mich richtig befreit", freut sich die Grundschullehrerin Jacqueline aus München und lässt den Blick über das Panorama schweifen. Eine Ärztin hatte ihr das Jodeln aus medizinischen Gründen empfohlen. Inzwischen besucht sie regelmäßig Kurse und singt begeistert beim 1. Münchner Jodelchor von Ruth Seebauer mit. "Man merkt die positiven gesundheitlichen Wirkungen des Jodelns auf vielfältige Weise. Es erfüllt einen mit Freude, schafft neue Verbindungen und auch die Stimme wird angenehmer, wie mir Bekannte bestätigt haben", erläutert sie.

Die Gründe sind vielfältig, warum die Teilnehmer ausgerechnet auf dem Hochries in die Kunst des Jodelns eingeweiht werden wollen. Der Maschinenbauingenieur Günter aus Raubling wollte mit seinem Bruder Peter, Blechbläser und Alphornspieler, "mal wieder gemeinsam in den Bergen wandern und dabei was erleben".

"Jodeln geht leichter als Singen"

Die Kinder- und Jugendtherapeutin Judith aus Prien wiederum hat beim Friedenstönen rund um den Chiemsee vom Jodelkurs erfahren. "Ich habe schon in meiner Jugend ein Faible für die Tracht und Volkskultur gehabt und wollte das Jodeln mal ausprobieren, weil es leichter geht als Singen", sagt sie.

Extra aus Hannover angereist ist Alina, die bei Jodellehrerin Ruth Seebauer eine Ausbildung zur Sprech- und Stimmlehrerin macht. "Durch das Üben und das Erleben der eigenen Stimme kommt man ganz intensiv in Kontakt mit sich selbst, was auf vielfältige Weise heilend wirken kann", erklärt sie.

EPV/Effner
»Allein beim Gedanken ans Jodeln löst sich Peinliches und Heiteres im Zwerchfell«, sagt Ruth Seebauer (l.).

Eine besondere Note bekommt das Jodelseminar durch die Bergwanderführerin Josefine Lechner. Sie kennt die Wege und Almen auf der Hochries wie ihre Westentasche. Nach den Jodelstudien im Hochrieshaus erklärt sie während des Abstiegs beim Wandern durch den "Eiskeller" und das "Paradies" oder bei der Einkehr auf der Laubensteinalm Interessantes zu Besonderheiten der Landschaft und dem harten Job der Sennerinnen. "Mache sagen sogar, das Jodeln sei als eine Art Unterhaltung der Senner und Sennerinnen mit sich selbst entstanden", erklärt sie schmunzelnd.

Nicht weniger kurios ist die Geschichte, wie Seminarleiterin Ruth Seebauer auf die Idee kam, Jodelkurse anzubieten: "Bei einem Songfestival 2008 in Berlin habe ich spontan einen Workshop im Jodeln angeboten. Als plötzlich 85 Teilnehmer vor mir standen und die Zeitung darüber berichtete, war klar, dass da ein großes Interesse besteht." Jodeln sei für sie so etwas wie das heilsame "Mantra der Berge". 

"Allein bei dem Gedanken ans Jodeln", sagt Seebauer, "scheinen sich peinlich Berührtes, Tabuisiertes, Ergötzliches, Heiteres und überschäumende Lebensfreude im Zwerchfell zu lösen." Vielleicht ist Jodeln deshalb so im Trend bei zivilisationsgeplagten Städtern: Das Archaische und Unkontrollierte, das im Alltag keinen Platz mehr hat, entlädt sich einfach – in einem Juchzer.

Jodeln lernen

Ruth Seebauer bietet Kurse und Seminare rund ums Jodeln auf www.stimmfluss.de an.

Das Kulturreferat München veranstaltet Jodelseminare mit Traudi Siferlinger. Infos: www.muenchen.de