In rund sieben Jahrzehnten wanderte zum Beispiel der Choral "Macht hoch die Tür" eine kleine Terz nach unten: War das bekannte Adventslied im Evangelischen Kirchengesangbuch aus den 1950er-Jahren noch in der Tonart F-Dur abgedruckt, ging es im Evangelischen Gesangbuch (EG), das in den 1990ern eingeführt wurde, einen Ganzton runter auf Es. Für seine neue Sammlung von rund 50 Liedern aus dem Stammteil des EG hat Wedel das Lied noch einmal einen Halbton nach unten transponiert. "Nach fünf Strophen pfeift man aus dem letzten Loch", erinnert sich der Präsident des in Nürnberg ansässigen Verbands Evangelischer Kirchenmusiker in Bayern an ein Erlebnis, als er einmal nicht an der Orgel, sondern in der Kirchenbank beim Gottesdienst saß. Und wenn es ihm, dem ehemaligen Windsbacher Knaben und somit geübten Musiker und Sänger, schon so geht, dann empfinden mit Sicherheit auch die Laien das ein oder andere Stück als zu hoch zum Singen. Die Folge: Die Menschen bleiben stumm. Und das sei keine gute Entwicklung.

Größere Menschen, tiefere Stimmen

Das Phänomen, dass tendenziell die Stimmlage beim Singen und Sprechen nach unten gegangen ist, kann Thomas Gropper, Professor für Gesang, Stimmkunde und Gesangsdidaktik an der Hochschule für Musik und Theater München erklären. "Allgemein werden die Menschen im Durchschnitt größer. Ein größerer Körper bildet in der Regel größere Strukturen aus, somit auch größere Stimmlippen. Das führt zu einer tieferen Stimme", erklärt der Bariton. Ein weiterer Punkt sei gerade bei Frauen die Veränderung von Rollenbild und Habitus. "Je weniger man das nette und kichernde Mädchen verkörpert und je mehr die selbstbewusste Frau, desto körperlicher, selbstbewusster und damit auch tiefer wird insbesondere die Sprechstimme", sagt Gropper.

Der wichtigste Grund für tiefer werdende Stimmen sei aber, dass in weiten Teilen der Bevölkerung immer weniger gesungen wird. Diese mangelnde stimmliche und gesangliche Praxis in der dafür fundamentalen Kinderzeit sorgt dafür, dass viele ihre stimmlichen Möglichkeiten in ihrem Tonraum nicht mehr erschließen. Studien zeigen, dass etwa Kinderlieder in heutigen Liederbüchern deutlich tiefer abgedruckt sind als noch vor 30 oder 40 Jahren", so der Professor.

Womit Wedel also mit seinem neuen Buch voll im Trend liegt. Was aber keine Anbiederung sei, denn: "Man darf nie aus den Augen verlieren, dass die Musik in der Kirche der Verkündigung, nicht der Verkünstelung dient", sagt Wedel. Neue Noten im Gesangbuch brauche es überdies nicht: Dem Sänger in der Kirchenbank falle kaum auf, dass die Orgel tiefer einsetzt als die Noten in der Hand vorgeben.

Dienstältester hauptamtlicher Kirchenmusiker Bayerns

Der Musik-Kunst aber hat der gebürtige Oberfranke nicht nur während seiner nun schon vier Jahrzehnte währenden Amtszeit, sondern bereits in den fünf Jahren zuvor ausgiebig gefrönt und als Solist oder als Chorleiter große Projekte umgesetzt. Gerne denkt er zurück an das Weihnachtsoratorium von Bach, welches vor fast vier Jahrzehnten das erste größere Werk war, das Wedel mit seinem Kammerchor aus Roth umgesetzt hat. Oder an die deutsche Erstaufführung des Requiems von John Rutter im Jahr 1997. Über 200 Mal ist Wedel mit seinen Rother Ensembles nun schon aufgetreten. "Wir haben Leute in die Kirche geholt, die sonst eher fern bleiben", erklärt der 62-Jährige.

Doch zu viel Aufhebens um seine Person ist dem engagierten Protestanten unangenehm. Ihm gehe es um die Musik und die Menschen dahinter. "Ich bin ja meist der einzige Hauptamtliche, muss also Ehrenamtliche dafür begeistern, mitzumachen, zu proben und zu spielen", weiß Wedel. Und: "In der Kirche wird Gott gelobt, nicht der Kantor." So sei es ihm immer ein Anliegen gewesen, den Musikern in der Kirche Arbeitshilfen zu geben, mit denen Musik im Gottesdienst einfach, aber auf hohem Niveau möglich gemacht wird. Als vor einigen Jahren zum Beispiel die Veröffentlichung des Vorspielhefts des Verbands "Kommt, atmet auf" wegen fehlender Orgel-Begleitsätze beinahe nicht geklappt hätte, schrieb Wedel den gesamten Notenkomplex in nur zehn Wochen um.

Für sein neues Buchprojekt hat Wedel nun befreundete Musiker gefragt, ob sie ihm Stücke neu setzen würden. Zuvor habe er sämtliche 535 Lieder des Stammteils durchgegangen und eine Auswahl getroffen. "Nach bester lutherischer Manier habe ich dem Volk aufs Maul geschaut. Beziehungsweise zugehört, was beim Gesang da erklingt", so Wedel launig. Bei einem solchen Projekt müsse man auch schließlich die Kosten immer im Blick haben – und die größten Posten sind eben Druck und Versand, weshalb das Werk auch "nur" etwa 150 Seiten haben wird.

Jedes Verbandsmitglied erhält demnächst ein Exemplar kostenfrei zugeschickt. Und da bei vielen Gottesdiensten Choräle im Wechsel zwischen Orgel und Posaunenchor gespielt werden, gibt es die neuen Sätze eben auch für beide.