Es kommt selten vor, dass ein Wahlkampfslogan noch nach Jahrzehnten ein geflügeltes Wort ist. Im Fall von Bill Clinton ist das so. Vor 25 Jahren ging er mit dem Spruch »It’s the economy, stupid« (»Es ist die Wirtschaft, Dummkopf«) in das Rennen um die US-Präsidentschaft und gewann.

Nun werden sich deutsche Wähler, die sich gern als mündige Bürger verstehen, kaum als Dummköpfe bezeichnen lassen. »Die Wirtschaft«, wenn wir diesen Begriff mal so stehen lassen wollen, ähnelt freilich einer Art Parallelwelt: Obwohl wir alle täglich daran teilhaben, wissen wir von ihr viel zu wenig.

Und wen kümmert’s, solange sie ohne größere Störung funktioniert? Der aktuelle Dieselskandal ist ein Beispiel dafür. Dass die großen deutschen Autohersteller in unfassbar dreister Weise – und mit einer gehörigen Portion krimineller Energie – ein Programm zur Manipulation von Abgaswerten geschmiedet haben, wäre mit dem Wort »Unternehmensversagen« unzureichend beschrieben. Verantwortung tragen die Kontrollinstanzen genauso wie die zuständigen politischen Ministerien, die sich derart täuschen ließen.

Der »Diesel-Gipfel« in der vergangenen Woche, bei dem sich Autounternehmen, Bundes- und Landespolitiker auf einen dürftigen Wiedergutmachungsplan für geprellte Käufer verständigten, war eher ein Anlass zum Fremdschämen. Nicht nur, weil den Repräsentanten der Industrie offensichtlich jegliches Schuldbewusstsein fremd zu sein schien, sondern weil sie deutlich spüren ließen, dass sie als quasi systemrelevante Branche der Politik die Bedingungen diktieren können.

Eigentlich gehört der Begriff »Systemrelevanz« in die Finanzwelt. Als »too big to fail« (»zu groß, um zu scheitern«) gelten vor allem Banken und Versicherungen, die mit der wirtschaftlichen Stabilität eines Staats eng verflochten sind. Die aus Steuermitteln bezahlten Rettungsaktionen während der Finanzkrise vor rund zehn Jahren sind noch in lebhafter Erinnerung. Die Auto- und Zulieferindustrie mit Hunderttausenden Arbeitsplätzen hat für die deutsche Wirtschaft einen vergleichbaren Stellenwert.

Der Skandal ist deshalb eine Chance für den Verbraucher, sich als mündiger Bürger einzubringen. Schuldzuweisungen reichen da nicht. Wer einen Diesel kaufte, hatte dabei auch die finanziellen Vorteile durch den subventionierten Kraftstoff im Blick – und war anfällig für das Versprechen angeblich sauberer Motoren. Das gibt es jedoch nicht zum Schnäppchenpreis. Es wird am künftigen Verhalten der Autokäufer liegen, die Industrie zum Umdenken zu zwingen – im eigenen Interesse.

 

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