Vor allem als Vorsitzender der einflussreichen »Kammer für Öffentliche Verantwortung« der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) habe Rendtorff vorbildlich die "Orientierungskraft« evangelischer Ethik gezeigt, sagte der frühere EKD-Ratschef Wolfgang Huber bei der Festveranstaltung zum 80. Geburtstag Rendtorffs - dessen letztem öffentlichen Auftritt. Als Kammer-Vorsitzender gestaltete Rendtorff grundlegende Positionspapiere der evangelischen Kirche, wie die »Friedensdenkschrift« (1981), die »Demokratiedenkschrift« (1985) oder die »Wirtschaftsdenkschrift« (1991).
Obwohl Trutz Rendtorff in Schwerin in eine alte Theologen-Familie hinein geboren wurde, hätte er sich auch eine andere Berufswahl vorstellen können: Er hätte gerne Kunstgeschichte an einer Schule unterrichtet, sagte er später in einem Fernseh-Interview. Ein Vorbild bei seiner Hinwendung zur Theologie waren dann wohl sein Elternhaus und persönliche Erfahrungen in der NS-Zeit. Sein Vater Heinrich, Landesbischof von Mecklenburg, stand der »Bekennenden Kirche" nahe und wurde deshalb von den Nazis ständig bedrängt. Dadurch sei ihm klargeworden, »dass es etwas aufrecht zu erhalten galt, dass es etwas gab, wofür man sich einsetzen musste«, bekannte Rendtorff.
Aus diesen Erfahrungen erwuchs auch Rendtorffs Überzeugung, dass der christliche Glaube niemals »Privatsache« sein dürfe. Deshalb trat er in seiner wissenschaftlichen Lehre, in kirchlichen Spitzengremien, aber auch bei öffentlichen Auftritten unermüdlich und mit geschliffener Rhetorik für die öffentliche Verantwortung der Kirche ein, für Demokratie und eine liberale Gesellschaft. Dabei war es dem Theologen, der seine Laufbahn in Münster begann und dann in seiner gesamten akademischen Laufbahn seinem Lehrstuhl an der Universität München treu geblieben war, ein besonderes Anliegen, Theologie und Ethik zu verbinden.
»Würde" auch für geklonte Lebewesen
Als erster protestantischer Theologe wurde Rendtorff in den Senat der Max-Planck-Gesellschaft berufen. Er war Mitbegründer des Instituts »Technik-Theologie-Naturwissenschaft« an der Universität München, das den Dialog zwischen Kirche und Wissenschaft voranbringen soll. In den ethischen Auseinandersetzungen um die beginnenden Gentechnik plädierte der Sozialethiker nicht für starre Abgrenzung, sondern für eine kritische Begleitung durch dir Kirche. Nach dem ersten Klon-Versuch, aus dem Mitte der 1990er Jahre das Schaf »Dolly« hervorging, überraschte Rendtorff als Theologe mit der Aussage, auch geklonten Lebewesen käme eine »eigene Würde« zu.
Nach seiner Emeritierung meldete sich Rendtorff zwar selten, dann aber immer pointiert zu Wort. So sprach er sich im Gegensatz zur amtskirchlichen Position für eine Forschung an bereits existierenden embryonalen Stammzellen aus. Diese abweichende Position begründete er damit, dass eine Forschung an Embryonen aus therapeutischen Zwecken moralisch gerechtfertig sei. Ebenso klar bezog er Stellung in der Streitfrage, ob homosexuelle Pfarrer mit ihren Partner gemeinsam in einem Pfarrhaus leben könnten. Diese Form der Partnerschaft sei unvereinbar mit dem Pfarrerberuf, erklärte Rendtorff, der ansonsten eher ein Vertreter der liberalen Theologie war.
Ausgleich zu Wissenschaft und kirchlichen Gremien fand Trutz Rendtorff, der drei Töchter und mehrere Enkel hatte, am Klavier, als Chorsänger und als passionierter Sportler auf Tennisplätzen und Skipisten. Später sah er gerne James-Bond-Filme, Loriot und Otto. In seinen letzten Jahren lebte Trutz Rendtorff sehr zurückgezogen und kümmerte sich um seine kranke Frau, die ihn wiederum energisch vor Anfragen, vor allem der Medien, abschirmte. Inzwischen selbst pflegebedürftig geworden starb Trutz Rendtorff kurz vor seinem 86. Geburtstag.