Samuel, wie geht es Ihnen heute?

Samuel Koch: Mal so, mal so. Schlecht, weil ich seit dem Unfall aus meinem Leben, das seit meiner Kindheit stets aus Sport, Bewegung und Aktivität bestand, schlagartig gerissen wurde. Mir ist nur wenig Bewegungsfähigkeit geblieben. Das ist die eine Seite. Die andere Seite lautet: Ich bin froh, leben zu dürfen. Ich bin froh, so viel Hilfe und Zuneigung zu erfahren.

Bedauern Sie Ihre Fernseh-Wette?

Samuel Koch: Sie werden es mir wahrscheinlich kaum glauben, aber: Die Wette würde ich sogar wieder eingehen. Denn unsere Vorbereitungen waren perfekt: Ich habe in den Proben über 500 Mal diesen Sprung geübt; wir haben alle Bewegungsabläufe mit Videodokumentation optimiert. Zudem ist die Wette von Sicherheitsingenieuren geprüft und abgenommen worden. Ich konnte diesen Sprung im Schlaf. Warum sollte ich also diese Wette nicht eingehen?

Leichtsinnig war die Wette aber doch, oder?

Samuel Koch: Keinesfalls! Ich bin seit meinem sechsten Lebensjahr Leistungs-Turner gewesen und habe Hunderte von Wett- und Schaukämpfen absolviert. Mit den Stelzen habe ich schon viele Schauauftritte bestritten. In Köln besuchte ich einen Stuntman-Kurs. Und auf der Schauspielschule habe ich stets körperbetont trainiert. Kurzum: Meine Muskeln waren bis zum Unfall durchtrainiert, wie sich das für einen Leistungssportler gehört. Die Wette war perfekt vorbereitet. Da war jede Skiausfahrt, die ich jahrelang gemacht habe, riskanter, weil weniger kalkulierbar.

Samuel Koch - Zwei Leben (adeo Verlag)

Welcher Fehler ist denn nun passiert?

Samuel Koch: Das lässt sich wohl nie mehr klären. Denn stellen Sie sich vor: Wir waren so perfektioniert durch unser Training, dass ich meinem Vater sogar mal vorgeschlagen habe, die ganze Wette als weitere Komplikation noch mit verbundenen Augen zu machen. Da hat mein Vater allerdings abgewinkt - er sagte mir: "Sammy, das muss nun wirklich nicht auch noch sein!" Das, was passiert ist, ist einfach Schicksal. Es hilft mir gar nichts, darüber jeden Tag zu grübeln. Ich schaue lieber nach vorne und kämpfe jeden Tag von Neuem um einen Fortschritt für meinen Körper.

Sie sind gläubig und beten. Worüber sprechen Sie mit Gott?

Samuel Koch: Über das, was mich beschäftigt, was mir Schwierigkeiten macht, wo ich seine Hilfe brauche, wofür ich dankbar bin, was ich mir erhoffe - einfach alles. Und über Weltfrieden.

Warum hat der Unfall Ihren Glauben nicht erschüttert - oder hat er?

Samuel Koch: Auf jeden Fall ist er gehörig durchgeschüttelt worden, aber das muss ja nichts Schlechtes sein. Ich kann jedenfalls meistens wieder beten: "Dein Wille geschehe." Auch wenn der vielleicht ganz anders aussieht als meiner ...

Haben Sie mit Gott wegen des Unfalls und seiner Folgen gehadert? Wie hat der Unfall Ihr Verhältnis zum Glauben beeinflusst?

Samuel Koch: Ich habe mich gefragt, was Gott mir mit diesem Unfall sagen will. Ich glaube eher nicht, dass es sein Plan ist, mich im Rollstuhl sitzen zu lassen. Aber es ist gerade der Glaube, der mir hilft, die Hoffnung weiterzutragen.

Wie haben Sie Ihre Wut und Verzweiflung überwunden?

Samuel Koch: Noch gar nicht. Ich habe den Unfall zwar überlebt, aber überlebt habe ich die Folgen wohl noch lange nicht.

Nach dem Unfall haben sich unzählige, auch fremde Menschen bei Ihnen gemeldet...

Samuel Koch: ...und das hat mich zwischendurch total überfordert! Leider vergessen manche Menschen, dass ich noch nicht einmal einen Kugelschreiber halten kann, geschweige denn selber schreiben! Ich habe so viele liebe, ermutigende, Kraft spendende Botschaften erhalten, für die alle ich mich gar nicht persönlich bedanken konnte. Mit meinem Buch möchte ich mich auch bei diesen vielen lieben Menschen bedanken - und ihnen davon berichten, wie es mir geht.

An welche Meldungen erinnern Sie sich besonders gern?

Samuel Koch: Gerne an solche, die von Menschen stammen, die das gleiche Schicksal erlitten haben. Es hat mich sehr berührt, wie Menschen, die selbst leiden, mir noch Trost und Hoffnung zusprechen.

... und an welche Zuschriften erinnern Sie sich nicht so gerne?

Samuel Koch: Ungern an die Handvoll Briefschreiber, die meinten, ich sei halt selber Schuld an meiner Behinderung...

Sind Ihnen auch Menschen begegnet, deren Reaktion Ihnen komisch vorkam?

Samuel Koch: Ein paar Spinner gibt's überall: Damen, die meinten, sich unsterblich in mich verlieben zu müssen; Wunderheiler, die mir ihre Methoden unterjubeln wollten.

Wie sieht Ihr Tagesablauf derzeit aus?

Samuel Koch: Aufstehen gegen 7.30, Duschen, Pflege, Anziehen, Frühstück, danach Vorlesungen, in der Mittagspause Krankengymnastik, nachmittags nochmals Hochschule, wieder Krankengymnastik oder weitere Behandlungen, dann lernen, Briefe und Mails lesen, mit dem Handfahrrad trainieren, dabei skypen, telefonieren oder lesen. Gegen Mitternacht werde ich meist zu Bett gelegt.

Sie haben Ihr Schauspielstudium in Hannover gerade wieder aufgenommen. Wie können wir uns das in der Praxis vorstellen?

Samuel Koch: Wahrscheinlich nicht so ganz einfach. Ich werde rund um die Uhr abwechselnd von zwei Pflegern betreut, die mich auch im Studium begleiten. Die Vorlesungen merke ich mir oder nehme sie auf Tonband auf, meine Kommilitonen schreiben auch teilweise für mich mit. Bücher lese ich am Computer oder lasse sie mir vorlesen. Unterricht im Fechten, Tanzen, Turnen und Reiten kommt bei mir allerdings zukünftig zu kurz.

Wie und wo leben Sie heute?

Samuel Koch: In meiner eigenen Wohnung in Hannover, behindertengerecht ausgebaut.

        

"Gott gibt mir jeden Tag die Kraft, nicht aufzugeben"

        

Leiden Sie noch immer unter den starken Schmerzen, von denen Sie schon berichtet haben?

Samuel Koch: Ja. Jeden Tag. Meine Wirbelsäule ist mehrfach gebrochen und nicht perfekt zusammengewachsen. Die Schmerzen werden mich mein Leben lang begleiten, wenn ich mich nicht auf Schmerzmittel verlassen will. Was mir dabei hilft? Ich habe erstens viele liebe Menschen um mich, die mir helfen, mich immer wieder aufbauen, wenn ich leide. Zweitens ist da der Glaube an Gott, an dem ich festhalte. Er gibt mir jeden Tag die Kraft, nicht aufzugeben, trotz aller Schmerzen. Und drittens gibt es die Hoffnung, dass sich mein Zustand noch bessern kann.

Welche Fähigkeiten haben Sie schon zurückgewinnen können?

Samuel Koch: Für meinen Geschmack eindeutig noch zu wenige.

Sie haben sogar Rückschritte in Ihrer Heilung erleben müssen. Wie haben Sie das verkraftet?

Samuel Koch: Mir hat es gutgetan, dieses Buch zu schreiben. Es gibt trotz aller Einschränkungen noch so vieles, was ich tun und erleben möchte. Ich hoffe einfach, dass Oscar Wilde recht behält, der einmal gesagt hat: "Am Ende wird alles gut - und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende!" Ich glaube, das letzte Wörtchen in Bezug auf meinen Gesundheitszustand ist noch nicht gesprochen.

Was bedeutet der Begriff der Zeit seit dem Unfall für Sie?

Samuel Koch: Sie läuft seither anders für mich ab. Herr gib mir Geduld, aber ein bisschen plötzlich... Mein Körper kann so gut wie nichts mehr von dem, was er vor dem Unfall konnte. Mir ist mein persönlicher Super-Gau widerfahren. Bewegung hat mich ausgemacht, und von diesem Teil von mir ist nichts übrig geblieben. Ich befinde mich in einer Art unfreiwilligem Entzug von einer Droge, der ich 23 Jahre lang Futter gab. Daher definieren sich Zeit und Geduld für mich völlig anders.

Welche Auswirkung hat Ihr Unfall auf Ihre Familie gehabt?

Samuel Koch: Unsere Familie hat schon immer eine besondere Dynamik gehabt, und das ist auch immer noch so. Unsere Eltern haben meinen drei jüngeren Geschwistern und mir eine behütete und zugleich spannende Kindheit ermöglicht. Die größte Veränderung ist wohl, dass meine Geschwister nun keinen großen Bruder mehr haben, sondern eher einen kleinen, der gerade mal die Fähigkeiten eines Säuglings besitzt.

Welche Zukunftspläne haben Sie?

Samuel Koch: Ich kann mich zwar nicht mehr bewegen, aber ich möchte auf jeden Fall in Bewegung bleiben. "Nur ein fahrendes Schiff kann Gott lenken", sagt meine Mutter immer - also setze ich die Segel und warte, wohin der Wind mich treibt.

BUCHTIPP

Samuel Koch ist seit seinem Unfall im Dezember 2010 vom Hals abwärts gelähmt, er kann sich kaum bewegen. In seinem Buch, das er zusammen mit dem Journalisten Christoph Fasel geschrieben hat, erzählt er von seinem Leben vor dem Sprung in "Wetten, dass..?" und davon, wie der Unfall geschah. Er erzählt von seinem Lebenswillen, seinem Glauben und seinen Hoffnungen. Und er möchte sich mit diesem Buch bei den vielen Menschen bedanken, die ihm Genesungswünsche geschickt, die für ihn gebetet, die an ihn gedacht und die ihm immer neue Hoffnung gemacht haben.

Christoph Fasel / Samuel Koch: Samuel Koch - Zwei Leben. Mit einem Vorwort von Thomas Gottschalk. adeo Verlag, Asslar 2012, 208 Seiten, 17,99 Euro. ISBN: 978-3-942208-53-6.