Die Rechtslage ist unklar und umstritten: Das Berliner Landgericht hatte 2015 über den Fall einer Mutter zu urteilen, die als Erbin von Facebook den Zugang zum Konto ihrer Tochter forderte. Die Tochter war 2012 an einem Berliner U-Bahnhof von einem einfahrenden Zug tödlich verletzt worden. Facebook hatte nach einer anonymen Meldung das Konto der Tochter in den "Gedenkzustand" versetzt (siehe Kasten). Die Eltern wollten klären, ob der Tod der Tochter womöglich ein Suizid war – auch weil der Fahrer der U-Bahn für diesen Fall Schmerzensgeld verlangte. Von den persönlichen Chat-Nachrichten der Tochter erhofften sich die Eltern Aufschluss über eine mögliche Suizidgefährdung.

Das Gericht entschied zunächst im Sinne der Mutter, doch Facebook ging in Berufung. Im Mai 2017 revidierte das Berliner Kammergericht das Urteil: Der Datenschutz stehe dem Anspruch der Erben entgegen. Auch wenn ein Internetkonto mit seinen Inhalten wie Fotos und Schriftverkehr nach bürgerlichem Recht in das Erbe falle, sei der Schutz betroffener Dritter nach dem Fernmeldegeheimnis höher zu bewerten. Mit dem Tod erlischt zwar das Grundrecht auf Datenschutz, doch die Tochter tauschte sich auf Facebook mit anderen Nutzern aus. Und wer Chats und Nachrichten eines Kontos liest, erfährt automatisch vieles über Dritte.

Datenschutz vs. Erbrecht

Bei geerbten Briefen, die unsere Großeltern einst schrieben oder erhielten, ist das zwar nicht anders; aber Briefe sind "Dinge" und deswegen materielles Erbe. Daten können dagegen derzeit nicht vererbt werden. Es sei denn, diese Daten wurden beizeiten aus dem Netz auf eine Festplatte oder einen anderen Datenträger gespeichert. Der geht dann als materieller Nachlass an die Erben – inklusive aller Daten. Befinden sich Mails dagegen noch auf den Servern des Dienstanbieters, gilt das Telekommunikationsgeheimnis.

Lediglich eine Nuzungslizenz bei Musiksammlungen

Auf die Online-Dienste eines Verstorbenen haben Erben also nicht automatisch Zugriff. Im Gegenteil: Im Fall des Falles kann – besonders wenn es um Abos oder Downloads geht – teurer Ärger drohen. Haben Erben keinen Zugang zu einem E-Mail-Konto des Verstorbenen, auf dem wichtige Informationen zu anderen Diensten gespeichert sind, ist das fatal. Ohne Passwort ist in der Regel nur die Löschung des Kontos möglich. Auch das ist oft schwierig. Wer schon einmal versucht hat, mit dem "Kundendienst" gewisser Internetanbieter persönlichen Kontakt aufzunehmen, kann sich die Schwierigkeiten ausmalen.

Beim Fotodienst Flickr können Freunde und Familie beispielsweise nicht auf die Fotos von Verstorbenen zugreifen. Auch Eigentümer großer digitaler Musiksammlungen sollten die AGB ihres Anbieters gelesen haben. Bei iTunes (Apple) und anderen Anbietern erwerben Kunden nämlich nur eine Nutzungslizenz – und diese erlischt mit ihrem Tod. Als gekauft geglaubte Musikstücke oder Filme können von Angehörigen daher nur mit Zugang zur Nutzer-Identifikation des Verstorbenen samt Sicherheitsabfragen weitergenutzt werden. Der Konzern mit dem Apfel erachtet seine "Apple ID" jedoch als "nicht übertragbar". Damit können sich große digitale Werte im Todesfall ruckzuck in nichts auflösen.

Ob derlei Geschäftsbedingungen mit dem deutschen (Erb-)Recht vereinbar sind oder nicht, ist offen, weil es bislang noch kaum Urteile gibt.

Bitkom-Studie

Die Digitalisierung unseres Alltags geht weiter, die Zahl der zu klärenden Fälle dürfte in Zukunft steigen. "Etwa alle drei Minuten stirbt in Deutschland ein Facebook-Nutzer, ohne zu entscheiden, was mit geposteten Inhalten, Likes und Fotos passieren soll", hat die Internetseite machts-gut.de herausgefunden. Die gut gemachte Infoseite des Verbraucherschutzes Rheinland-Pfalz wartet mit einem Fragebogen, Checklisten und einer Übersicht des Umgangs der Internetanbieter mit Todesfällen auf.

Laut einer aktuellen Studie des Branchenverbands Bitkom haben nur 18 Prozent der Internetnutzer festgelegt, was nach ihrem Tod mit ihren Online-Konten geschehen soll. Vor allem die jüngsten (14-29) und die ältesten Internetnutzer (über 65 Jahre) sind besonders unbedarft: Rund 90 Prozent von ihnen haben sich um ihren digitalen Nachlass noch gar nicht gekümmert.

Umgekehrt gaben sieben von zehn Internetnutzern (69 Prozent) an, dass ihnen die Informationen fehlten, um ihren digitalen Nachlass regeln zu können. Und 72 Prozent fänden es gut, wenn es eine klare gesetzliche Regelung zum digitalen Nachlass gäbe, vergleichbar mit dem Erbrecht an Gegenständen.

Bundesgerichtshof

Auch das zweitinstanzliche Kammergerichtsurteil zum Berliner Facebook-Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Revision beim Bundesgerichtshof ist zugelassen und wird wohl auch kommen. Für beide Positionen, die der Erben und der vom Persönlichkeitsrecht geschützten Dritten, gibt es schlüssige Argumente. Aber die Stimmen mehren sich, die infrage stellen, ob die bestehenden gesetzlichen Regelungen ausreichen: Immer mehr Experten fordern ein zeitgemäßes "digitales Nachlassrecht".