Kürzere Verweildauern in Kliniken, immer variablere Pflegeangebote und eine wachsende Flut an Gesundheitsinformationen: Für Patienten und ihre Angehörige wird es immer schwieriger, sich im Informations- und Angebotsdschungel zu orientieren. Die Wilhelm-Löhe-Hochschule (WLH) Fürth der Diakonie Neuendettelsau mit der zertifizierten Weiterbildung zum "Gesundheitslotsen (WLH)" Abhilfe schaffen. Das zweisemestrige Angebot der fünf Jahre alten, privaten Hochschule startet erstmals im kommenden Wintersemester.

Komplexität der Pflege nimmt zu

Hintergrund ist die wachsende Komplexität der individuellen Pflegebedarfe in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Gleichzeitig werden die Angebote in der Pflegewirtschaft immer variabler. Der einzelne Mensch könne sich angesichts des Wachstums an Gesundheitsinformationen und Leistungen kaum noch selbst ein Bild machen. "Wir müssen das Wissen für Gepflegte und pflegende Angehörige zusammenbringen", begründet Gesundheitsökonom und Leiter des WLH-Forschungsinstituts Jürgen Zerth das Zertifikatangebot. Es gehe um eine "menschlichere Gestaltung des Gesundheitswesens". Wer kennt schon die Pflegegrade auswendig?

Das berufsbegleitende Angebot richtet sich etwa an die Mitarbeiter der Sozialämter oder Apotheken. Selbst Personalabteilungen der Unternehmen sieht Zerth als Zielgruppe. Die sollten sich nicht nur um Kindergartenplätze für den Nachwuchs der Beschäftigten kümmern, sondern auch Hilfe bei deren pflegebedürftigen Eltern bieten. Inhaltlich stehen in den sechs Modulen unter anderem die Bereiche Institutionen im Gesundheits- und Sozialwesen, Rechte der Akteure oder auch die Planung und Koordination von Patientenfällen auf dem Lehrplan. Auch der Bereich der Patientenverfügung könnte noch hinzukommen.

Gesundheitslotsen sollen medinisch-fachliche Möglichkeiten kennen

In letzterem Bereich "trifft Individualität auf Komplexität", ergänzt der Onkologe Jan Schildmann, zugleich Medizinethiker an der WLH. Seinen Erfahrungen zufolge fehle den Patientenverfügungen, die daheim im stillen Kämmerlein aufgesetzt werden, die "Durchschlagskraft". Das liege zum Beispiel an fehlenden Kenntnissen über die medizinisch-fachlichen Möglichkeiten.

In der Praxis scheitere die persönliche Verfügung schon an dem simplen Problem für Rettungssanitäter oder Ärzten: Wo findet sich das Dokument? Aktuell gibt es etwa in München "qualifizierte Gesprächspartner", die beim Abfassen einer Patientenverfügung unterstützen. Dadurch könne sowohl der medizinischen Teil als auch die persönlichen Wertvorstellungen besser berücksichtigt werden.

Unterstützung der Patienten in den Regionen verbessern


Schildmann beschäftigt sich derzeit mit der Frage, wie diese Unterstützung von Patienten "systematisch und praktisch in den Regionen" strukturiert werden müsste. Der internationale Fachterminus heißt "Advance Care Planning", auf Deutsch etwa Behandlung im Voraus planen. Schildmann hat dabei die Patienten im Blick: "Es geht nicht nur um ein längeres Leben, sondern auch um Lebensqualität", weiß der praktizierende Onkologe von den Krebsstationen.

Sowohl für Zerths Patientenlotsen als auch für Schildmanns "Advance Care Planning" ist derzeit noch offen, inwieweit digitale Angebote die Beratung unterstützen können. Egal ob man an Pflegeeinrichtungen, Apotheken, Hausärzte oder Sozialämter denke: Die Klage über fehlende Zeit sei durchgängig. Entsprechend könnte die Digitalisierung im Medizin- und Pflegebereich dazu beitragen, "Informationen zu komprimieren", sagt Zerth. Doch am Ende gelte für ethische Medizin und Pflege: "Es spricht der Mensch mit dem Menschen."

Gesundheitslotse - Ausbildung auf einen Blick

Abschluss: Hochschulzertifikat Gesundheitslotse
Dauer: 2 Semester oder 1 Jahr
Typische Gruppengröße: 10-25 Studierende
Beginn: erstmalig zum 1. Oktober 2017
Voraussetzungen: ein qualifizierter Berufsabschluss mit dreijähriger Berufspraxis und Erfahrungen, die in das Profil des Gesundheitslotsen einzuordnen sind (kein Abitur oder Fachabitur notwendig)
Unterricht: Präsenzunterricht an ausgewählten Wochenenden (Donnerstag bis Samstag)
Bewerbung: Bis 15. September 2017
Kosten: 1.600 Euro pro Semester oder 3.200 Euro in Summe

Info und Kontakt: Gesundheitslotse