Schon wenige Tage nach Michaels Geburt war klar: Das Baby hat epileptische Anfälle. Auch Taminas Mutter wird die erste epileptische Episode ihrer Tochter zehn Tage nach ihrer Einschulung im Gedächtnis bleiben. Zwei Fälle, ein Schicksal - das verbindet. Die Kinder sind unterschiedlich alt, und dennoch geben sich die Eltern gegenseitig Halt. In der Elternselbsthilfegruppe Epilepsie der Körperbehinderte Allgäu gGmbH können sie gemeinsam lachen, helfen sich gegenseitig.

Für Kerstin H. und Severine F. sowie weitere Mütter und Väter ist die Selbsthilfegruppe zu einem wichtigen Teil in ihrem Leben geworden. In Kempten besteht die Elterngruppe Epilepsie bereits seit sieben Jahren, in Memmingen seit fünf. Aus einer Elterngruppe entwickelte sich die Selbsthilfegruppe, bei der sich die Eltern einmal monatlich treffen. Für alle Mütter und Väter war der erste Epilepsieanfall des eigenen Kindes ein einschneidendes Erlebnis. Gemeinsam ist ihnen die Angst vor dem nächsten Anfall.

Epilepsieberatungsstelle Schwaben führt mehr als 1.000 Gespräche

Die Epilepsieberatungsstelle Schwaben selbst gibt es seit 2009. 2016 wurden im Allgäu den Angaben zufolge 309 Personen beraten. Insgesamt gab es 1.105 telefonische, schriftliche und persönliche Beratungsgespräche zu allen Themen, die mit der Erkrankung in Verbindung stehen. Seit März dieses Jahres ist die Beratungsstelle vom Verein »Sozialarbeit bei Epilepsie« und der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie zertifiziert.

»Für Ärzte, aber auch für Eltern ist das oft ein Nachweis für die Professionalität der Beratungsstelle«, sagt Barbara Eberle, die in Kempten die Epilepsieberatung zuständig ist. Ihre Kollegin Ulrike Titze ist in Memmingen mit der Beratungsstelle am Klinikum Memmingen angesiedelt. Die Beratung ist an beiden Stellen kostenlos und vertraulich.

»Wir würden uns freuen, wenn mehr Eltern den mutigen Schritt auf uns zu machen würden. Die Treffen sind wirklich ein großer Rückhalt«, wissen Kerstin H. und Severine F. Per Handy halten sie über WhatsApp auch außerhalb der monatlichen Dienstagstreffen Kontakt. »Warte nicht auf den Anruf des Arztes, melde dich selbst bei ihm«, lautet so eine Nachricht an eine junge Mutter, die gerade neu zur Gruppe dazugekommen ist. Sie ist für den Tipp dankbar.

 

Epilepsie-Gruppe der Eltern über WhatsApp
Mit dem Handy halten die Eltern der Epilepsie-Gruppe per WhatsApp auch außerhalb der Treffen Kontakt.

Warum in eine Gruppe gehen? »Der Schritt braucht Mut. Ich habe damit zwei Jahre gewartet«, erzählt eine 36-Jährige. Erst in einer Reha mit ihrem Kind wurde ihr klar, dass es ähnlich Betroffene gibt. »Es half mir, mich über die Sorgen und Ängste auszutauschen«, erinnert sie sich an die ersten Zusammenkünfte. »Aber auch zu sehen, dass es auch gute Zeiten gibt.«

Gegenseitige Unterstützung in der Eltern-Selbsthilfegruppe Epilepsie

In der Gruppe wird jeder nach seinem Befinden gefragt – und dabei geht es nicht nur um die Erkrankung des Kindes. Es tue auch gut, gemeinsam zu lachen. »Wir profitieren voneinander«, sind sich die Eltern einig. Darüber hinaus organisiert die Selbsthilfegruppe therapeutische und Entspannungsangebote, wie etwa einen Besuch der Salzgrotte.

Einmal im Jahr gibt es ein gemeinsames Treffen der Gruppen aus Kempten, Memmingen und Augsburg. Da sind dann alle dabei: Eltern, Kinder und Geschwister. In Augsburg steht etwa am 7. und 8. Oktober eine Schulung zu Epilepsie für Betroffene ab 16 Jahren und deren Angehörige an. Denn es sei wichtig, als Eltern zu Experten der Erkrankung zu werden, meint Severine F.: »Je mehr man weiß, desto besser kann man sich mit den Ärzten austauschen.«

Epilepsie in Zahlen

Laut einer Statistik ist Epilepsie eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Etwa 0,7 Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen. Bei Menschen mit einer Mehrfachbehinderung allerdings tritt Epilepsie wesentlich häufiger auf. Bei etwa 70 Prozent der Betroffenen kann durch Medikamente Anfallsfreiheit erreicht werden, bei 30 Prozent ist die Epilepsie schwer behandelbar, die Anfälle werden zum ständigen Begleiter der Familie.