Ganz "geerdet", wie der Name seiner Band vermuten lässt, sitzt der 32-jährige Maschinenbauingenieur bei unserem Treffen im Café am Tisch: Das Baseballcap verkehrt herum, Jeans, Palästinenser-Tuch um den Hals und ein schwarzes Kapuzen-Shirt am Leib. Dass Neno eher der Rocker-Fraktion zuzuordnen ist, sieht man ihm an. Auf den offiziellen Promo-Bildern seiner Band ist er dagegen nicht wiederzuerkennen. Da wirkt der freundliche junge Mann eher, als ob er gerade aus der Gruft gestiegen ist. "Alles Klischees", lacht der Musiker.

Und doch sind gerade diese mit ausschlaggebend für den Erfolg seiner Band: "Neue Deutsche Härte" oder "Gothic Rock" sind die Schubladen, die von der Fachpresse für die Mischung aus tonnenschweren Riffs, Mitsingmelodien und verklausulierter Lyrik um Liebe, Gott und Teufel schon vor Jahren aufgemacht wurden.

Christliche Symbole als Stilmittel

"Rammstein trifft auf Tokio Hotel", beschreibt Neno das Konzept der vier Musiker, die zwar schon allesamt jahrelang professionell in Bands spielen, aber erst seit dem Herbst 2015 als "Erdling" unterwegs sind. Und in der Tat: Man nehme den bombastisch harten Sound der international erfolgreichen Ostdeutschen und die Ohrwürmer der einstigen Teenie-Idole, fertig ist die Mischung von "Erdling", die gerade ihr zweites Album "Supernova" veröffentlicht haben.

Klischees, das sind bei Bands wie seiner auch gerne große, morbide verzierte Kreuze, die die Musiker um den Hals oder auf die Kleidung gestickt tragen. Neno hält davon nichts, "es wäre ohnehin nur ein Stilmittel", sagt er. Ebenso wie dies die zahlreichen Anhänger der "Schwarzen Szene" sehen, die er in und um Nürnberg kennt, sich gerne mit christlicher Symbolik schmücken. "Die wenigsten denken sich wirklich etwas dabei, wenn sie mit einem Kreuz herumlaufen", erklärt Neno. Und überhaupt: Man müsse nur auf die völlig anders ausgerichtete Hip-Hop-Szene schauen. Rapper schmücken sich ebenso gerne mit großen Kreuzen, sehen das aber augenscheinlich ebenfalls als modisches Accessoire.

Gott als Metapher

Allerdings keines, zu dem er und seine Bandkollegen greifen. "Gott" allerdings kommt gleich zwei Mal im neuen Album vor. Einmal im ersten Stück "Absolutus Rex", in dem vom "Gott-Komplex" die Rede ist und auch heidnische Götter wie Odin auftauchen. Und im letzten Song "Als ich Gott erschuf". Blasphemie? Mitnichten, wie Neno erklärt. "Beide Lieder handeln von narzisstischen Menschen, die sich ausschließlich selbst lieben und mangels anderer Inhalte ihr Ego zum Mittelpunkt des Lebens machen." "Gott" also als Metapher in zwei durchaus kritischen Stücken, die als Parabel auf eine immer egoistischer werdende Gesellschaft angesehen werden können.

Nur selten habe der sich selbst als gläubigen Menschen bezeichnende Gitarrist bislang Kritik von bekennenden Christen erlebt, die sich alleine an der Verwendung des Begriffs "Gott" in einem Liedtitel stören. Wie das Echo wohl wäre, wenn man diesen offenen, künstlerischen Umgang mit den Gottheiten anderer Religionen pflegte? Neno wird nachdenklich. "Wir pflegen schon eine tolerante Gemeinschaft im christlichen Glauben", bekennt er. Und verweist auf einen Song, in dem "Erdling" singen "Wir sind das Licht am Firmament". Auch keine Provokation. "Es geht um Freundschaft, das ist ein Text auf unseren Zusammenhalt", sagt Neno. Und darum gehe es letztlich: ob als Band, als Mitglieder einer Szene oder eben einer Glaubensgemeinschaft.