Die ockergelb leuchtende, altehrwürdige Villa Viva an der Füssener Straße in der Nähe der Sankt Mang Brücke ist ein wahrer Blickfang – und ein Stück Stadtgeschichte. Nur wenigen ist allerdings bekannt, dass sich hinter den jahrhundertealten Mauern des markanten Gebäudes seit gut 20 Jahren die einzige therapeutische Tagesstätte für Schädelhirnverletzte für das gesamte Allgäu verbirgt. Ihr Träger ist der Verein Körperbehinderte Allgäu.

Lehrer, Landwirte, Geschäftsleute, Hausfrauen, Erzieherinnen, Pfarrer, Singles oder Familienmenschen – sie alle kämpfen hier mithilfe von Physio-, Ergotherapeuten, Logopäden und psychosozialer Unterstützung darum, ihr Leben wieder so selbstständig wie möglich in Griff zu bekommen. Regina Peringer (69) etwa ist nach einer Hirnblutung halbseitig gelähmt gewesen, war auf einen Rollstuhl angewiesen. So hätte sie niemals in ihrer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung bleiben können. Ihr Ziel ist es daher, wieder richtig laufen zu können. Seit Dezember besucht sie die Tagesstätte in der Villa Viva. Anfangs wurde sie mit dem Rollstuhl gebracht, heute läuft sie bereits wieder mit einer stabilen Gehstütze.

Wichtig ist die Beweglichkeit

Soweit ist Ludwig Weiß (54) noch nicht. Nach einem Gehirntumor kam er erst vor Kurzem in die Tagesstätte. Er sitzt noch im Rollstuhl, ist sehr konzentriert bei seinen Sprechversuchen. Auch er hat eine halbseitige Lähmung. »Ich möchte wieder am Stock laufen können«, sagt er. Beide Patienten können noch nicht ihren linken Arm nutzen. Sie wissen, dass das erst später kommt. Wichtiger ist ihnen die Beweglichkeit.

Barbara Grafino (47) hat sich schon ein größeres Ziel gesetzt: Nach einem Hirntumor und einem Schlaganfall vor zwei Jahren möchte sie wieder arbeiten können. Nun steht sie kurz davor. Gespräche des Tagesstättenleiters mit ihrem alten Arbeitgeber helfen bei der Vorbereitung zur Wiedereingliederung.

Eines brauchen alle Gäste der Tagesstätte: viel Geduld. »Die Erfolge finden hier in kleinsten Schritten statt«, erklärt Tagesstätten-Leiter Oliver Wilke. »Als neurologischer Patient kommt man an bis zu fünf Tagen pro Woche in die Tagesstätte. An einem Therapie­tag sind bis zu fünf Einheiten à 45 Min. in Form von Einzel- und Gruppentherapie vorgesehen. Das ist richtig Arbeit.«

Die Villa Viva arbeitet »ganzheitlich«

Gerade die Kombination aus Einzel- und Gruppentherapie hat sich bewährt. So können sich die Klienten untereinander austauschen, ihre Erfahrungen teilen – und sich gegenseitig motivieren. Die Villa Viva arbeitet dabei »ganzheitlich«. Es geht nicht alleine um das körperliche Wohl: Auch Phasen der Wut und Verzweiflung werden ernst genommen. Außerdem gibt es Freizeitangebote wie die Musiktherapie, zu der auch ehemalige Patienten kommen. Bewährt hat sich auch die Kunsttherapie. Eine Patientin ist heute sogar eine »richtige« Malerin und stellt ihre Werke in Kempten und Umgebung aus.

Michael Berner, Leiter des Mobilen Diensts der Villa Viva, koordiniert die ambulanten Einsätze. Mehrmals pro Woche kommen Fachkräfte und Therapeuten für 90 Minuten zum Patienten nach Hause. Berner und Wilke übernehmen zudem die Koordination mit der Krankenkasse und dem Medizinischen Dienst. Sie sind sich einig: »Wichtig ist, dass die Hilfe möglichst früh beginnt und die positiven Schritte aus der stationären Reha nicht wegen bürokratischer Hemmnisse wieder verpuffen, weil die Patienten daheim über Wochen ohne Therapie sind.«

 

Tagesstätte und mobiler Dienst

LAUT STATISTIK erleiden jährlich etwa 400 Menschen pro 100 000 Einwohner Schädel-Hirnverletzungen. Die Tagesstätte der Villa Viva hat 15 bis 16 Plätze, bis zu 20 betroffene Personen werden darüber hinaus vom Mobilen Dienst der Villa betreut. Er leistet im bayerischen Allgäu mit Hausbesuchen alltagsorientierte Einzeltherapien sowie Beratungen – auch für Angehörige. Ansprechpartner sind für die Tagesstätte Oliver Wilke und für den Mobilen Dienst Michael Berner. Kontakt: (08 31) 5 74 50 21, www.villaviva.de