Es gibt Menschen, die hören einfach lieber zu, als selbst zu reden. Zu dieser Gattung gehören Sandra Streng aus Erlangen und Carmen Voit aus Baiersdorf. Ein Mal pro Woche drehen die ehrenamtlichen Klinikseelsorgerinnen ihre Runden auf der Station, klopfen an, fragen "haben Sie Lust auf ein Gespräch?" und verbringen so manche Stunde bei Menschen, die reden möchten.

Oft über ihre Ängste. Da ist die alleine lebende Seniorin, die sich bei einem Sturz an der Hüfte verletzt hat und sich kurz vor der Entlassung aus dem Krankenhaus fragt, wie sie das tägliche Treppensteigen in ihre Wohung im dritten Stock meistern soll. Oder der Familienvater, Kranführer, der sich bei einem Autounfall einen komplizierten Beinbruch zugezogen hat, für Wochen ausfallen wird und unsicher ist, ob sein Job noch für ihn da ist, wenn er wieder arbeiten kann.

"Natürlich gibt es für alles Lösungen, und auch in der Klinik kümmern sich die fest Angestellten um die Patienten. Jedoch ist meist nicht die Zeit vorhanden, sich mit jedermann eingehend zu befassen. Da sind wir ein gutes Bindeglied", sagt Carmen Voit, die bereits vor sechs Jahren ihre Ausbildung zur ehrenamtlichen Klinikseelsorgerin absolviert hat. Und die als Heilpraktikerin und Gesprächstherapeutin in ihrem Beruf fast dasselbe macht wie in ihrer Freizeit. "Ich möchte Menschen die Zeit geben, die ich mir früher manchmal auch gewünscht hätte", erinnert sich Carmen Voit an eigene Klinikaufenthalte.

Bei "Suizid" schrillte der Alarm

Erst seit einem knappen Jahr ist Sandra Streng dabei. Ähnlich wie bei Carmen Voit, die damals ihren Job in der IT-Branche an den Nagel hängte und sich neu orientieren wollte, waren es bei der medizinischen Fachangestellten private Veränderungen, die sie auf die Suche nach etwas Neuem im Leben gehen ließ. Sie bewarb sich um den halbjährigen Ausbildungskurs für Ehrenamtliche. Die Ausbildung umfasst Selbsterfahrung, Persönlichkeitsentwicklung, Gesprächstechniken, Spiritualität und Theologie.

Gleich nach dem ersten Einführungswochenende ging es für die Neulinge auf die Station, um erste Erfahrungen zu machen. "Da machte ein Patient im Gespräch Andeutungen, sich umbringen zu wollen. Ich war geschockt, habe aber glücklicherweise reagiert und das Fachpersonal um Krankenhauspfarrerin Dorothea Böhle verständigt", erinnert sich Sandra Streng. An sich gilt aber: Was bei einer solchen Visite zur Sprache kommt, bleibt auch vertraulich.

Auf dem Namensschild der Frauen prangt deutlich das Wort "evangelisch". Für die beiden ein Zugang zu den Patienten, aber kein Dogma. Wer über seinen Glauben reden, ein Gebet sprechen oder eine Kerze anzünden möchte, jederzeit. Allerdings bieten es die Klinikseelsorgerinnen nur an, wenn sich dies aus dem Gespräch ergibt. Ein Gebetbuch ist meistens mit dabei.

"Ich bin fei katholisch", schallte es Carmen Voit von Patienten schon oft entgegen, wenn sie das Namensschild lasen. "Ich auch", antwortet sie dann wahrheitsgemäß, und das Eis ist schon gebrochen. Es ist nicht die Konfession und nicht mal der tiefe Glaube, der die Frauen im Ehrenamt antreibt. "Es ist Nächstenliebe", sagen sie einhellig.

Bald bekommt das Team übrigens Zuwachs: Mit 5000 Euro unterstützt die gemeinnützige Anneliese Roth Stiftung die Aus- und Weiterbildung ehrenamtlicher Klinikseelsorger in Erlangen und Herzogenaurach.

Selbstdarstellung der evangelischen Klinikseelsorge in Bayern. Produktion der Evangelischen Medienagentur EMA / Heike Springer.