Die Person Martin Luthers stand im Jubiläumsjahr oft im Zentrum. Haben Sie noch neue Seiten an Luther und seinen Reformationsideen entdeckt?

Breit-Keßler: Mir ist, vor allem durch das Pop-Oratorium, bei dem ich mitgesungen habe, noch einmal deutlich geworden, wie sehr sich Luther geplagt, wie viele Ängste und Skrupel er gehabt hat. Mit anderen Worten: Die Reformationsbotschaft ist kein Larifari zum Wohlfühlen, sondern etwas, das einen existenziell umtreibt.

Das Jahr war voll mit Veranstaltungen, doch die Besucherzahlen gerade bei überregionalen Events wie der Weltausstellung in Wittenberg, aber auch beim Dekanatsfest am Odeonsplatz waren nicht so hoch wie erhofft. War das Jubiläum eher was für den inneren protestantischen Kreis?

Breit-Keßler: Nein. Ich habe neben begeisterten Protestanten überall viele Menschen getroffen, die entweder katholisch waren oder dem Glauben insgesamt nachdenklich bis skeptisch gegenüberstehen. Sie alle kamen aus großem Interesse. Ich denke an den Gottesdienst auf Booten auf dem Ammersee, das Luther-Spektakel in Freising, die zahlreichen Kunstprojekte, die den Horizont weiten – etwa wie in Weilheim »500-Kirche im Licht« oder die phantastische Ausstellung in der Otto­brunner Michaelskirche. Man darf eines nicht vergessen: Es geht bei unserem Glauben nicht um eine Eventkultur mit möglichst großen Teilnehmerzahlen, sondern um Leben und Tod.

Was hat 2017 für die Ökumene gebracht?

Breit-Keßler: Es gab neben vielen anderen Veranstaltungen wie etwa dem 1. Ökumenischen Kirchentag in Erding eindrucksvolle »Healing of memories«-Gottesdienste, die den Menschen seelisch und geistig gut getan haben. Unser Ratsvorsitzender und Kardinal Marx haben vitale Ökumene bei einer ganzen Reihe von Ereignissen inhaltlich und persönlich ausgestrahlt. Ich selbst durfte eine ökumenische Vesper mit Kardinal Koch in Bad Reichenhall feiern – in einer rappelvollen Kirche und mit ganz grundsätzlichen Aussagen zu einer lebendigen Ökumene. Das alles wird hoffentlich Wirkung haben.

Was nehmen Sie als Erkenntnis aus dem Festjahr mit, auch in puncto »öffentliche Strahlkraft von Kirche«?

Breit-Keßler: Es geht weniger um Strahlkraft als darum, einen Glauben überzeugend zu leben, der zum Leben und beim Sterben hilft. Christentum ist nicht einfach gefällig, sondern fordert uns heraus, auf das Evangelium zu hören, die von Gott geschenkten Einsichten in die Tat umzusetzen und zuversichtlich Gegenwart und Zukunft auch politisch mitzugestalten.

Nach dem furiosen Finale Ende Oktober wartet der Gemeindealltag. Was sollen die Evangelischen vor Ort aus dem Jahr 2017 für ihre Arbeit mitnehmen?

Breit-Keßler: Ich konnte allen Gemeinden eine Altarbibel schenken. Für mich ein Sinnbild dafür, dass wir uns in einer hochgradig emotionalisierten und populistischen Welt wieder mehr – vernünftig und leidenschaftlich – mit dem Wort Gottes zu befassen haben. Mir ist daran gelegen, dass wir Evangelischen gleichermaßen bodenständig und mit festem Blick auf den Himmel in dieser Welt anpacken, damit alle Menschen friedlich und gerecht zusammenleben können

VERLAGSANGEBOT

Unsere Reformationsbestseller

Finale! Ein Wochenende mit Luther:

RUND 50 KIRCHEN IM DEKANAT MÜNCHEN machen bei der Langen Nacht der Kirchen mit: Von 18 bis 24 Uhr bieten sie unterschiedlichste Schwerpunkte – hier eine Auswahl:

Die Stephanuskirche Nymphenburg lädt zu jeder vollen Stunde (bis 22 Uhr) zum Taizé-Gebet mit anschließender Kirchenführung. In der Himmelfahrtskirche Sendling liest Regisseur Björn Bicker aus seinen »Urban Prayers« – ein interreligiöser Abend zum Thema Minderheiten und Vielfalt in der Stadt. Zu Suppe, Brot und Käse an gedeckten Tischen lädt die Christuskirche Neuhausen bei ihrem Abend(s)mahl ein. Im Zeichen der (Luther-)Rose steht die Nacht in der Gethsemanekirche am Westpark: Es gibt ein Rosenbuffet, Rosengedichte und einen eigens gebrauten Lutherrosen-Likör. Die Lutherkirche Giesing verspricht ein Himmelsspektakel: Mit lila und gelben Strahlen soll eine Lichtbrücke Luther- und Heilig-Geist-Kirche verbinden. Die Bücherei der Kreuzkirche Schwabing präsentiert zur vollen und halben Stunde »Lieblingsgeschichten zur Nacht«. Die Himmelfahrtskirche Pasing lädt zu »Rock in Church«. Das Pfarrkabarett »Weißblaues Beffchen« gastiert in der Lätarekirche. Dazu Konzerte, Filmabende, Vorträge, Essen, Gespräche – alle Termine unter www.muenchen-evangelisch.de

DEKANAT WEILHEIM: Ordensschwester Franziska Lehmann bringt mit ihrem 70-köpfigen ökumenischen Projektchor das Pop-Oratorium »Luther« in der Klosterkirche der Missionsbenediktinerinnen in Tutzing auf die Bühne. Am Samstag, 28. Oktober, um 19 Uhr und am Dienstag, 31. Oktober, um 18.30 Uhr kann, wer die Aufführung in der Münchner Olympiahalle verpasst hat, das Stück von Dieter Falk noch einmal hören. Platzkarten sind kostenlos im Evangelischen Pfarrbüro erhältlich. Die Murnauer feiern den 31. Oktober mit einem Ökumenischen Kirchentag. Unter dem Motto »Suchet der Stadt Bestes« gibt es im Kultur- und Tagungszentrum Workshops, Poetry-Slam und Luther-Kabarett. Dauer: 11 bis 21 Uhr. Was das Reformationsjubiläum »bewegt, bedeutet und bewirkt«, diskutiert Udo Hahn, Leiter der Akademie Tutzing, am 31. Oktober um 15 Uhr in der Rotunde.

DEKANAT TRAUNSTEIN: Speisen wie zu Luthers Zeiten heißt es in der Versöhnungskirche Garching (28.10. um 19 Uhr); ein Chorkonzert mit Il Coro Nuovo gibt es in der Erlöserkirche Marquartstein (29.10. um 18 Uhr); die Musikschule Inzell präsentiert sich beim Reformationskonzert in der Christuskirche Inzell (29.10. um 19 Uhr). Die Ausstellung »Luther und seine Zeit« öffnet am 31.10. Punkt 11.17 Uhr in der Christuskirche Trostberg die Türen (Dauer bis 26.11.); der Madrigalchor Pleiskirchen singt in der Auferstehungskirche in Töging »Lieder aus der Zeit der Reformation« (31.10. um 19 Uhr).

DEKANAT ROSENHEIM: Ökumene ist 2017 in aller Munde, doch in Wasserburg auf besondere Weise: Dort feiern die lutherischen Protestanten zusammen mit ihren Glaubensgeschwistern aus drei Freikirchen am 31.10. ein 4-Gemeindenfest. Höhepunkt ist die Enthüllung eines Reformationsdenkmals: Eine keilförmige Skulptur, die quasi in der Wiese vor der Kirche einschlägt und damit an die Wucht der Reformation erinnern soll.

DEKANAT BAD TÖLZ: Ein eindrucksvolles Programm bieten die Christen im Oberland: Die Lutheraner und Katholiken in Miesbach, Hausham, Holzkirchen und Schliersee haben sich zusammengeschlossen und laden am 30. Oktober von 19 bis 23 Uhr zu ihrer eigenen Langen Nacht der Kirchen ein. Da wird es sinnlich mit Fackelzug und Kalligrafie-Werkstatt, exotisch mit japanischer Klangschalenkunst, musikalisch mit Chormusik und Jugendband, volkstümlich bei Mitmachtänzen aus aller Welt, theologisch mit Assisi-Ausstellung und Bibellesungen, praktisch in der Schreibwerkstatt und rustikal am Lagerfeuer mit Stockbrot. Das ganze Programm: www.miesbach-evangelisch.de

DEKANAT FREISING: Hochkarätig besetzt ist die traditionelle Zeitansage, ein Gottesdienstformat, das schon seit Jahren am 31. Oktober in der Christi- Himmelfahrts-Kirche Freising stattfindet. Diesmal auf der Kanzel: die katholische Theologieprofessorin Johanna Rahner vom Lehrstuhl für Dogmatik und Ökumenische Theologie der Uni Tübingen. Ihre Fragen: Was feiern wir wirklich, wenn wir 500 Jahre Reformation feiern und welche Bedeutung hat dieses Ereignis für die Gegenwart? Der Gottesdienst beginnt um 19 Uhr, die Liturgie gestaltet Dekan Jochen Hauer.

DEKANAT FÜRSTENFELDBRUCK: Zum gottesdienstlichen Dämmerschoppen lädt Pfarrer Niclas Willam-Singer am 27. Oktober ins Gasthaus Oberer Wirt in Alling. »Vorträge über Luther und die Reformation gab es genug in diesem Jahr«, sagt der Pfarrer. Deshalb wolle er die Jubiläen »500 Jahre Bier« und »500 Jahre Reformation« zu einem »etwas anderen Gottesdienst« verbinden: Ein jeder isst und trinkt, dabei wird gebetet und gesungen. Anmeldung bis 23. Oktober unter Tel. (0 81 41) 22 79 98 11.