Sonntagnachmittag, ein Kreisliga-Spiel im Landkreis Schwandorf. Schiedsrichter Boelkau und seine Linienrichter Christian Brand und Dominik Fritz sind eine Stunde vor Anpfiff schon auf dem Platz und begutachten das Feld. Sie sprechen mit dem Veranstalter über den Ablauf, ein Kapitän soll vorab geehrt und verabschiedet werden.

Helgo Boelkau strahlt eine gewisse Autorität aus. Vielleicht liegt es an seinem Hintergrund. "Die wenigsten wissen von meinem Beruf", sagt Helgo Boelkau, der sechs evangelische Religionsklassen im Landkreis Schwandorf unterrichtet. "Ich lauf ja auch nicht auf den Platz und sage: Hallo, ich bin der Helgo und heute euer Schiri und Religionspädagoge." Aber wenn das Gespräch darauf käme, fänden es wahrscheinlich viele interessant.

"Auf die Leute zugehen"

"Ich sehe das wie eine Komm- und Geh-Kirche", erläutert Boelkau. "Die Kirche kann nicht darauf vertrauen, dass alle zu ihr kommen, sie muss auch auf die Leute zugehen."

Boelkau hat im Frühjahr einen Motorrad-Korso mit einer Segnung organisiert. Zusammen mit Christian Brand, der im evangelischen Kirchenvorstand von Maxhütte sitzt und als Linienrichter arbeitet. Brand sieht auf dem Fußballplatz wenig christliche Einwirkungsmöglichkeiten. "Die Leute wollen einfach spielen und gewinnen", sagt er. "Irgendwann legt’s bei denen dann einen Schalter um, und dann gibt’s kein Halten mehr. Das läuft nach dem Prinzip: Wie du mir, so ich dir", sagt er.

Als Linienrichter könne er allenfalls das Einhalten der Regeln überwachen. "Ich muss auch mal einschreiten", ergänzt Helgo Boelkau. "Da muss ich nahe am Ball sein, also viel laufen, dann bin ich glaubwürdiger." Wenn die Emotionen dann hochkochen, "gehe ich dazwischen, vielleicht muss ich zwei Streithähne auch mal schubsen und auseinanderziehen".

Von links: Linienrichter Dominik Fritz, Helgo Boelkau sowie Christian Brand.
Von links: Linienrichter Dominik Fritz, Helgo Boelkau sowie Christian Brand.

Boelkau sieht mehr Parallelen zwischen Fußball und Kirche. Er hat in seiner Diplomarbeit die Schlachtgesänge der Fans dem religiösen Fanatismus gegenübergestellt. "Auch Rituale ähneln sich: Der Einzug beim Fußballspiel und der festliche Einzug in der Kirche haben Gemeinsamkeiten. Und alle unterwerfen sich gewissen Regeln, sie versprechen das zumindest", setzt er augenzwinkernd hinzu.

Das Fußballspiel nimmt an Fahrt auf. An diesem letzten Kreisliga-Spieltag steht die Gastmannschaft aus Schwandorf als Meister schon fest, aber der Gastgeber Neukirchen-Balbini möchte natürlich trotzdem gewinnen. "Lockeres Sommer-Gekicke" nennt es Linienrichter Brand, der an der Seitenlinie auf- und abläuft. Und dann prallen Sekunden vor der Halbzeitpause doch Torwart und Angreifer derart derb aufeinander, dass die Zuschauer aufbrüllen. Der Ball rollt noch ein paar Meter, kein Pfiff vom Schiri, doch ein Mitspieler nutzt seinen Vorteil nicht und schießt neben das gähnend leere Tor.

Entscheidung mit Gebrüll

"Klares Foul", brüllen die Zuschauer gereizt, selbst die Linienrichter sind unterschiedlicher Meinung. Helgo Boelkau hatte zunächst auf Vorteil erkannt, "danach kann ich nicht einfach rot pfeifen". Eine Entscheidung, für die er das Gebrüll der Zuschauer aushalten muss und die Diskussion mit seinen Kollegen ebenfalls. Sind christliche Werte nicht auch manchmal schwer durchzuhalten? Helgo Boelkau lässt sich nichts anmerken. Er versucht, seinen Grundsätzen treu zu bleiben.

Die zweite Halbzeit wird zum fröhlichen Schützenfest, die Heim-Mannschaft gewinnt 5:2, was an ihrem mittleren Tabellenplatz nichts ändert. Nach Spielende stellt sich heraus, dass der Torwart bei der Rempelei einen Zahn verloren hat. Das ist hart. Auge um Auge, Zahn um Zahn? "Bei Fairplay stirbt die Hoffnung zuletzt", seufzt Boelkau.