So schnell wächst selten eine Kirchengemeinde. Gleich ein paar Tausend Mitglieder mehr hat die evangelische St.-Thomas-Gemeinde im Augsburger Stadtteil Kriegshaber seit vergangenem Jahr. Ein ganzes Volk macht sich seitdem täglich auf den Weg zur Kirche – allerdings nicht zum Gottesdienst. Im Schatten des runden Campanile wurde ein Bienenvolk angesiedelt, das seitdem in der umweltbewussten Gemeinde fleißig mitarbeitet.

Fast täglich kann man im Sommer die vier Hobby-Imker antreffen, die aufmerksam ihr Volk studieren, Krankheiten vorbeugen und sich über die gute Entwicklung freuen. Da summt und brummt es rund um den hochgetürmten Bienenstock. Steve Gallasch und Gregor Pahl suchen an diesem Tag nach der zweiten Königin, die in diesem Jahr von ihrem Volk herangefüttert wird. Damit wollen sie einen Ableger, ein zweites Volk, gründen. Die Königin wird gekennzeichnet, um sie in Zukunft besser beobachten zu können.

Auch mit der Honigproduktion sind die beiden sehr zufrieden: "In diesem Jahr werden wir wohl 25 bis 30 kg Honig schleudern", schätzt Gallasch nach dem ersten Schleudervorgang. Dabei geht es ihnen gar nicht so sehr um den Ertrag; die Imkerei soll ein Hobby bleiben, aber eines mit hohem Anspruch: Gallasch und Pahl betonen beide den Wert, den ihr Projekt für die Kirchengemeinde hat.

Gemeinde hat den Grünen Gockel

Die Gemeinde St. Thomas darf sich seit diesem Jahr Grüne-Gockel-Gemeinde nennen. Mithilfe dieses Umweltmanagementsystems hat sie ihr tägliches Handeln und Arbeiten überprüft und auf eine nachhaltige Lebensweise gelenkt. Das betraf nicht nur den Wasser- und Energieverbrauch. Es gab auch Aktionen zugunsten der Umwelt. Eine hochwachsende Bio-Wiese gibt es schon länger neben der Kirche, die in einem kleinen Park liegt. Dort wurde vor zwei Jahren ein Insektenhotel aufgestellt, das verschiedene Insekten beherbergt. Und dort stehen jetzt auch die Holzbeuten, das Zuhause der summenden Nektarsammler.

Eine ideale Nachbarschaft, findet Hilmar Mante, Mitglied im Umweltausschuss der Gemeinde, denn er sieht im System des Bienenstocks eine Parallele zum Grünen Gockel: "Bienen," erklärt er, "arbeiten unermüdlich als ein Team für ein Ziel. Die Arbeit jeder einzelnen Biene ist vergleichsweise gering, aber zusammen schaffen sie Großes."

Ein Prinzip, dem sich auch die Kirchengemeinde verpflichtet fühlt. Bienen seien eine Bereicherung, so Mante: "Sie ernten in kleinen Portionen und befruchten ihre Umwelt dabei ganz nebenbei, sodass Erneuerung stattfinden kann und Leben gesichert ist." Auch Cornelia Felber vom Umweltausschuss lobt die Imkerei als "Vorbild für den sorgsamen Umgang mit der Natur". Es zeige, "dass wir in verantwortungsvollem Umgang miteinander gut leben können".

Pädagogischer Aspekt eines Hobbys

So denken auch die vier Imker der Gemeinde, die den pädagogischen Aspekt ihres Hobbys betonen. Wann immer sie in ihren Schutzanzügen beim Bienenstock stehen, kommen Nachbarn und Kinder mit vielen Fragen. Die Faszination, mit der die vier vom wuseligen Leben im Stock schwärmen, überträgt sich schnell.

Gefunden haben sie sich und ihr Hobby bei einer langen Autofahrt zum Posaunentag im letzten Jahr. Gallasch erzählte dabei, dass er auf seinem Balkon Bienen angesiedelt habe. Ein Thema, das alle interessierte. Denn Stadtimkerei ist seit ein paar Jahren ein "Modethema" geworden, seit Imker auf dem Land zunehmend aufgeben. In der Stadt gibt es auch dank der Kleingärten eine große Vielfalt an blühenden Pflanzen, Linden- und Kastanienalleen oder Hecken.

Im Pfarrgarten von St. Thomas stehen zudem Obstbäume, die bestäubt werden wollen. Pfarrer Dietrich Tiggemann unterstützte sofort die kleine Gruppe, zu der auch der Mesner Nico Dibiase und Johannes Wiesinger gehören. "Der Standort im Park mit vielen Gärten rundherum ist gut", weiß Gregor Pahl. "Und die Sorgen der Nachbarn, dass Bienen wild stechen, konnten wir schnell beseitigen." Und letztlich überzeugt alle in der Gemeinde der süße Honig. Es soll am Gemeindefest verkauft werden.