Miri hat große, hässliche Blasen an den Fersen, Kai laufen am dritten Abend ständig Tränen über das Gesicht. Aber das sind schon fast die einzigen Beschwerden, die man den wandernden Jugendlichen ansieht. Neue Wanderschuhe nicht eingelaufen, und starker Heuschnupfen – solche Unbill passiert schon mal, wenn man fünf Tage draußen unterwegs ist und sich auf frisch gemähten Wiesen zum Nachtlager niederlässt.

»Geh mit Gott, aber geh«, so lautete das Motto der Pfingstfreizeit der Evangelischen Jugend. Der frisch gebackene Diakon Sebastian Leßner hatte die Idee. Er ist in Deggendorf daheim und mit einer halben Stelle für die Jugendarbeit im Donaudekanat zuständig. »Privat habe ich das schon einmal gemacht«, erzählt er, und auch gleich von den ungläubigen und neugierigen Reaktionen, »so etwas wirklich durchzuziehen«.

Landschaft und Wetter sind ein Erlebnis

»Läuft alles super«, sagt er nach drei Tagen. Die Gruppe sei klein genug, dass es bei der Rast eine gemeinsame Gesprächsrunde gebe, und sich keine Gesprächsinseln bilden oder gar Grüppchen absondern. Und die anfänglichen »Impulse« braucht er nicht mehr zu geben, die Jugendlichen erzählen am Lagerfeuer von selbst von ihren »Highlights«, ja, es sprudelt nur so aus ihnen heraus.

Sie hätten sich noch nie so frei gefühlt, berichten Sarah und Miri. »Du läufst in der Gruppe, oder auch mal mit etwas Abstand für dich, bist ganz in der Natur, und ganz bei dir!«, schwärmen sie. Vincent erzählt vom Gefühl, die klobigen Schuhe abzustreifen und zu schwimmen – »wie schwerelos, das ist mir noch nie so aufgefallen!«. Gleich am ersten Tag seien sie in ein Gewitter geraten, auf die Blitze folgte sofort der Donnerschlag. Das hätten sie so hautnah noch nie erlebt, »voll krass!«. Den Weg zu finden oder sich auf das abendliche Ziel zu einigen, sei nie ein Problem gewesen. Wenn sich jemand schwer tue, etwa wegen Blasen an den Füßen, werde eben früher Halt gemacht.

Jugendliche am Lagerfeuer.
Abends am Lagerfeuer: Zeit für Gespräche.

Fünf Tage mit Kompass und Landkarte

Die Natur blieb ihnen auch, plus Bereitschaft zu Improvisation und sich selbst zu organisieren. Zu Beginn wurden alle mit verbundenen Augen zum Start gefahren, Riedenburg, wie sich herausstellte, als sie die Augenbinden abnahmen. Dann die erste Aufgabe: ein Kreuzworträtsel lösen, Ergebnis: »44 Grad Nordost«. Und so laufen sie fünf Tage in diese Himmelsrichtung, was Kompass und Karte ihnen sagen. »Natürlich laufen nicht alle Wege so. Dann geht’s halt um einen Berg herum, oder auch mal straight durch den Wald. Du bekommst ein Auge für die Landschaft«, erzählt Max.

Unterwegs müssen sie mit wenig Geld auskommen, Leute um Hilfe bitten oder nach einem Schlafplatz fragen. »Wir sind unglaublich freundlich aufgenommen worden. Die Leute haben uns in ihren Gärten, unter Obstbäumen oder am Ufer der Vils übernachten lassen«, berichten sie. Ein Schützenverein lädt sie abends zum Grillen mit dazu und verspricht ihnen, die übrigen Semmeln zum Frühstück zu überlassen.

Handys sind ausgeschaltet

Ganz ohne Komfort ging die Tour dann doch nicht: Die Jugendlichen tragen Marschgepäck für den Tag, aber Schlafsäcke, Zelt und Kocher bringt abends der Bus der evangelischen Jugend hinterher. Untertags sind die Handys aller Teilnehmer übrigens freiwillig ausgeschaltet, nur abends wird damit dem Bus der Standort durchgegeben. Vincent klagt über den Stress, wenn für den Funk-Kontakt zum Bus Hunderte von Whatsapp-Nachrichten auf ihn einpurzelten. »Da sieht man erst mal, was die Leute alles schreiben, offenbar weil sie nichts zu tun haben.«

Der Weg »44 Grad Nordost« führte die Gruppe über Hemau und Beratshausen bis Kallmünz. Dort wurde am letzten Tag über das restliche Geld diskutiert: Reicht es noch für eine Busfahrkarte zurück nach Regensburg? Es reichte, und alle empfinden auf einmal die Stadt, die vielen Menschen und den Verkehr als stressig. Auf die fünf Tage »mit Gott« folgte ein sechster zum Wiedereingewöhnen.