Als ihr Mann wieder mal ausflippte, als er sie »Schlampe!« schimpfte und auf sie einprügelte, hatte Simone S. aus Würzburg genug. Sie rief die Polizei. Die erteilte ihrem prügelnden Gatten einen Platzverweis. Simone S. wollte die Nacht dennoch nicht alleine in der Wohnung verbringen. Zu sehr stand sie unter Schock. Sie meldete sich bei der Rufbereitschaft der Würzburger Frauenhäuser. Dort hörte sie, dass kein Zimmer frei sei: »Sie müssten eine oder zwei Nächte in die Bahnhofsmission gehen.«

Simone S. reagierte entsetzt: »Ich will doch nicht am Bahnhof landen!« Brita Richl vom Frauenhaus der Würzburger Arbeiterwohlfahrt (AWO), die an diesem Freitagabend Rufbereitschaft hatte, redete ihr gut zu. Es gebe keine andere Möglichkeit. Morgen komme sie in die Bahnhofsmission, um mit ihr zu überlegen, wie es weitergehen könnte. Frauen zu vertrösten, gehört zum Alltag von Richl und ihren Kolleginnen. »2015 mussten wir 76 Frauen abweisen«, sagt die AWO-Frauenhaus-Chefin.

70 Frauen wegen Überbelegung abgewiesen

Einige kamen weit weg in anderen Frauenhäusern unter. Für viele war dies nicht möglich: »Sie hatten einen Minijob oder schulpflichtige Kinder.« Doch selbst Frauen, die bereit gewesen wären, auch in einen anderen Regierungsbezirk zu gehen, wurden oft nicht fündig. »Seit kurzer Zeit haben wir Zugriff auf eine bayernweite Liste mit Frauenhausplätzen«, erläutert Richl. Diese Liste sei manchmal komplett rot eingefärbt - was nichts anderes bedeutet, dass es keinen einzigen freien Platz gibt.

Ihre Kollegin Franziska Boes vom Frauenhaus des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) in Würzburg kennt das Problem. 70 Frauen musste sie im vergangenen Jahr wegen Überbelegung abweisen. Vor 15 Jahren gab es beim SkF-Frauenhaus 20 Abweisungen jährlich aufgrund von Platznot. Etwas besser schaut die Welt in ländlichen Regionen aus. »Wir müssen jährlich nur vier bis fünf Frauen abweisen, weil wir voll sind«, sagt Astrid Baierl, Leiterin des Diakonie-Frauenhauses Weiden.

Bayernweit existieren aktuell 40 Frauenhäuser mit 367 Plätzen für Frauen und 456 Plätzen für Kinder. Bundesweit bieten laut Heike Herold, Geschäftsführerin des Berliner Vereins Frauenhauskoordinierung, 353 Häuser Frauen Schutz. Hochrechnungen zufolge wurden 2015 rund 15.000 Frauen in einem Frauenhaus aufgenommen. Im Freistaat waren es nach Angaben des Sozialministeriums rund 1.565 Frauen.

»Gerade in Großstädten mangelt es extrem an Plätzen«, erläutert Heike Herold.

Wie groß die Not im Freistaat genau ist, ließ das Sozialministerium vom Institut für empirische Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg ermitteln. Der Studie zufolge finden in Bayern jedes Jahr bis zu 2.000 Frauen keinen zeitnahen Schutz im Frauenhaus. Im Untersuchungsjahr 2014 wurden insgesamt 2.845 Frauen wegen Platzmangels abgelehnt. Wahrscheinlich kamen nur 1.000 von ihnen beim zweiten oder dritten Anlauf in einem Frauenhaus unter. »Das ist empörend«, sagt Herold.

Platzmangel sei im Übrigen nicht das einige Problem. Fast 1.000 Schutz suchende Frauen aus Bayern konnten 2014 aus anderen Gründen nicht aufgenommen werden. In 300 Fällen fehlte die Kostenübernahme. Über 200 Frauen waren psychisch so beeinträchtigt, dass eine Aufnahme unmöglich war. Auch Suchterkrankungen oder Behinderungen führten zur Abweisung. Die Platznot in den Frauenhäusern resultiert vor allem daraus, dass Frauen immer länger in den Einrichtungen bleiben.

Die Verweildauer erhöhte sich in Bayern laut Sozialministerium von durchschnittlich 52 Tagen im Jahr 2005 auf 69 Tage im Jahr 2015. Dies liegt daran, dass Frauen, wenn sie so weit wären, wieder selbstständig zu leben, keinen günstigen Wohnraum finden. Gleichzeitig steigt der Unterstützungsbedarf: Frauen mit Migrations- oder Fluchthintergrund benötigen mehr Zeit als deutsche Frauen, um alle ihre Angelegenheiten zu regeln und um sich psychisch im Frauenhaus zu stabilisieren.

Frauen, die keinen Platz in einem Frauenhaus finden, verweist das Sozialministerium auf das bundesweite Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen, auf Fachberatungsstellen für Opfer häuslicher Gewalt oder Frauennotrufe. Bei unmittelbarer Gefahr soll die Polizei eingeschaltet werden. Mittelfristig soll sich die Situation im Freistaat bessern, sagt Sozialministerin Emilia Müller (CSU). Sie verweist in dem Zusammenhang aber auch darauf, dass die Verantwortung für Gewaltschutzangebote wie Frauenhäuser bei Landkreisen und kreisfreien Städten liegt.

Die Staatsregierung unterstütze die Kommunen und beteilige sich an den Personalkosten der Frauenhäuser. 2017 stehen dem Ministerium zufolge dafür rund 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Das seien etwa 20 Prozent mehr als 2016. Die Finanzierungsart in Bayern stößt bei der Berliner Frauenhauskoordinierung auf Kritik. Dass Kommunen die Hauptlast der Finanzierung tragen müssen, sei höchst problematisch, findet Herold. Im Frauenhäuser-"Musterbundesland« Schleswig-Holstein sei dies völlig anders.

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