»Ich fühle mich wohl, endlich wieder den Gottesdienst hier zu feiern. Wie frisch es riecht. Wenn mein Mann die Kirche jetzt noch sehen könnte«, schwärmt eine ältere Dame bei der Wiedereröffnung von St. Martin in Memmingen. Ein älterer Herr bewundert die renovierte, helle Kirche: »Sie ist wirklich wunderschön geworden. Die lange Wartezeit hat sich gelohnt.«

Viele Gläubige, Förderer, Vertreter anderer Kirchengemeinden sowie Ehrengäste aus der Politik kamen, um den ersten Festgottesdienst nach über drei Jahren mitzufeiern. »Tut mir auf die schöne Pforte, führt in Gottes Haus mich ein«, klang das Lied zum feierlichen Einzug in die Martinskirche. Pfarrer Ralf Matthes erinnerte in seiner Begrüßung an den Sommer 2014: »Ohne Dekan und Diakon waren wir ein bisschen wie Schafe, die sich nach einem Hirten sehnten.« Aber die Restaurierung wurde trotzdem von Kirchenmitgliedern und vielen Memmingern angepackt und mitgetragen. In dieser Zeit seien »viel Segen, Freude und Frucht erwachsen«, betonte Matthes.

Kirche steht für Freiheit, Weite und Ruhe

Regionalbischof Michael Grabow gab schmunzelnd zu, bevor er die Kirche segnete: »Ich habe es nicht ohne Sorgen beobachtet, und mir ist das Herz stehen geblieben, was für Probleme vor drei Jahren auftauchten.« Nun wirke der Altar so, als sei er näher bei den Menschen, und wenn die Sonne durchkommt, strahle die »berühmte Schönheit St. Martin« in heiterem Glanz. »Man spürt die unzähligen Menschen, die Freude, Leid und ihre Not sowie Hoffnungen über 600 Jahre hinweg hierherbrachten«, so Grabow. Für ihn ist die Martinskirche aber auch »Ort des fröhlichen Dankes und der Zuflucht«. Der Regionalbischof freute sich für die Gläubigen, die in der »wiedergewonnenen Pracht und spirituellen Ausstrahlung der frisch eingeweihten Kirche im Dienste Gottes erneut feiern dürfen«.

Das Dekan-Ehepaar Claudia und Christoph Schieder, Nachfolger des langjährigen Memminger Dekans Kurt Kräß, feierte an diesem Festtag seine Premiere in St. Martin. Dieses Gebäude bedeute für das Paar »viel mehr als ein historisches Denkmal. Es ist ein Ort des Glaubens«. Die beiden sprachen in ihrer gemeinsamen Predigt von der Erfahrung von Freiheit, Weite und Ruhe, für die ihr Gotteshaus stehe: »St. Martin bringt die Freiheit auf besondere Weise zur Sprache. In die Kirche wird niemand gedrängt, sondern eingeladen, denn wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.«

Ort zum Verweilen

Die Dekane bezeichneten Kirchen als Orte, an denen wir Antworten auf Lebensfragen bekommen, die wir uns selbst nicht geben können. Der Besucher könne hier für einen kurzen Moment oder für eine längere Zeitspanne verweilen. »Aber St. Martin ist nicht für einen dauerhaften Rückzug von der Welt gebaut. Was uns hier erfüllt, nehmen wir mit in unseren Alltag«, lautete die Botschaft.

Ein besonderer Dank der Dekane galt dem katholischen Dekan Ludwig Waldmüller. Er hatte die Kirche St. Josef in den Jahren der Restaurierung von St. Martin der evangelischen Gemeinde unter anderem für Konfirmationen zur Verfügung stellte. Waldmüllers Geschenk zur Wiedereröffnung von St. Martin – ein Kelch für die Abendmahlsfeiern – machte seinen Kollegen Christoph Schieder »sprachlos«.

Hintergrund: So wurde die Sanierung der Kirche finanziert

Die Renovierung der Kirche St. Martin in Memmingen hat etwa 5,55 Millionen Euro gekostet. Der Eigenbeitrag der Kirchengemeinde liegt bei gut 1,12 Millionen Euro. Die bayerische Landeskirche schießt 3,2 Millionen zu. Von der Bayerischen Landesstiftung kommen 315.000, von der Stadt Memmingen und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz jeweils 300.000, vom Landesdenkmalamt 235.000 Euro. Der Bezirk Schwaben zahlt 92.000 Euro, Dekanat und Gesamtkirchenverwaltung übernehmen gut 24.000 Euro.