»Es fühlte sich an wie ein Tsunami«, erinnert sich Karlheinz Häfner, bereits seit 1990 Pfarrer der Philippusgemeinde im Nürnberger Stadtteil Reichelsdorf, an den Moment, als die Gutachter vor wenigen Wochen nach eingehender statischer Untersuchung ihre Bilanz offenlegten: Das komplette Kupferdach der Kirche muss erneuert und große Teile der Fassade müssen ersetzt werden. Die rund 50 Jahre alten Steine sind allesamt porös und nach den Arbeiten an der Kirche mit Sicherheit völlig kaputt. Die Kosten der bereits 2013 begonnenen Kirchensanierung haben sich deshalb auf 1,1 Millionen Euro hochgeschraubt. Ausgegangen war man ursprünglich von 200.000 Euro. Was war passiert?

Nürnberger Philippuskirche: Eigentlich lief alles nach Plan

»Eigentlich lief alles nach Plan. Und wir hatten Glück, wie man es in der Regel nur ein Mal im Leben eines Pfarrers hat«, erinnert sich Häfner an das Jahr 2013, als die Gemeinde begann, den Sanierungsstau abzuarbeiten, der sich in über 30 Jahren aufgebaut hatte. Möglich wurde dies durch den Verkauf eines Hauses, das sich im Besitz der Gemeinde befand. Dazu erbte die Gemeinde ein Haus und bekam eines als Schenkung. Zudem habe der rührige Kirchenvorstand sich bei sämtlichen Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen reingehängt, sagt Häfner.

Durch den Finanzschub konnten das Gemeindehaus und die Kirche innen mitsamt Elektrik und Orgel auf den neuesten Stand gebracht werden. Stolz zeigt Häfner auf die mit Wasser betriebene Heizung der Kirchenbänke. »So etwas ist weit und breit einmalig. Ebenso wurden die Glockenstube saniert und die Glockenmotoren erneuert, die das drittgrößte Geläut in Nürnberg bedienen.

Kosten vervielfachten sich

Zuletzt stand Ende 2016 eine Dachreparatur der Kirche an. Mit Überraschungseffekt: Im Frühjahr 2017 zeigten sich senkrechte Komplettrisse im Mauerwerk, die innerhalb weniger Wochen mehrere Zentimeter breit wurden. »Die Untersuchungen ergaben, dass die Baufirmen damals schlampig gearbeitet haben. Ohne Dehnungsfugen wurden verschiedenste Materialen zusammengemörtelt«, sagt Häfner und zeigt ein Bild aus der Bauphase: Damals wurde ein Stahltorso gebaut, dessen Seiten ausgemauert wurden. In den 1960er-Jahren eine top moderne Bauweise, und auf dem höchsten Stand der Technik. Heute weiß man, das vieles, was vor 50 Jahren der letzte Schrei war, Schrott ist.

Wozu man kein Experte sein muss, schaut man sich die Philippuskirche näher an: Da hat sich an vielen Stellen der Mörtel einfach aufgelöst. Verzichtet wurde auch auf eine Abdichtung des Fundaments gegen Feuchtigkeit. »Die Firmen von damals gibt es nicht mehr«, meint Häfner. Um die Sicherheit vor herabfallendem Mauerwerk zu gewährleisten, musste umgehend ein Schutzgerüst errichtet werden.

Abreißen und neu bauen?

Abreißen und neu bauen? Macht man bei geweihten Gebäuden eigentlich nicht. Und es wäre auch schade, nicht nur wegen der bereits erfolgten Innensanierung, sondern auch wegen der Menschen: Die rund 3600 Mitglieder starke Philippusgemeinde ist laut Pfarrer Häfner sehr rege und besitzt alleine 168 ehrenamtliche Helfer, die in den Vereinen, Gruppen oder Kreisen aktiv sind.

Immerhin »steht« schon der Finanzierungsplan: Nach erwarteten Zuschüssen von Landeskirche und Dekanat verbleibt der Gemeinde ein Eigenanteil von 350.000 Euro. 200.000 Euro werden den Rücklagen entnommen, die dann auf knapp 50.000 Euro schrumpfen. 100.000 Euro werden als Kredit aufgenommen. Rund 50.000 Euro sollen aus Spenden finanziert werden.

 

Marodes Mauerwerk der Philippuskirche Reichelsdorf
Blick auf das marode Mauerwerk der Philippuskirche im Nürnberger Stadtteil Reichelsdorf.