Ein Mann fischt eine Pappschachtel aus dem Müllcontainer. "Jackpot", sagt er, denn in der Schachtel befinden sich alte Croissants - für Walter das heutige Frühstück. Der Zeichner Christopher Burgholz aus Münster schildert in seinem Comic "Penner" das Leben eines Obdachlosen: die Mühsal, die es kostet, Pfandflaschen zu sammeln und von dem wenigen Geld, das er damit zusammenkratzen kann, Alkohol zu kaufen.

Mit leisen Tönen erzählt Burgholz von dem schwierigen Leben auf der Straße, von den Bekanntschaften und Freunden, den Gefühlen des Obdachlosen und dessen zunehmender Verwahrlosung.

Vor zwanzig Jahren wäre eine solche Geschichte als Comic kaum denkbar gewesen. Comics waren etwas für Kinder und Jugendliche. Noch bis in die 1970er-Jahre galten die Bildgeschichten als Schundliteratur und verpönt bei Eltern und Pädagogen.

"Maus" - Geburt eines neuen Genres

Eine Bildgeschichte über den Holocaust sorgte für Veränderung: Im Jahr 1991 begann der US-amerikanische Comiczeichner Art Spiegelmann, die Überlebensgeschichte seines jüdischen Vaters zu dokumentieren. Die "Maus" bekam den Pulitzer-Preis.       

Ein neues Genre war geboren: "Graphic Novels", wie die Bildromane für Erwachsene gerne genannt werden, erleben seitdem einen Aufschwung. Immer mehr Zeichner und Illustratoren erzählen mit packenden Bildern von ihren Erlebnissen; dokumentieren ihre Reisen, hinterfragen Politik und Wirtschaft - oder verleihen traditionellen Romanen ein neues Gesicht.

Kleine Spezial-Verlage wie Avant oder Reprodukt, die viele deutschsprachige Zeichnerinnen und Zeichner unter Vertrag haben, werden inzwischen längst flankiert von den großen Häusern, die das Marktpotenzial der Graphic Novels ebenfalls erkannt haben.

Die Obdachlosengeschichte von Christopher Burgholz ist noch nicht publiziert. Doch das könnte dem 25-Jährigen nun durchaus passieren - denn er hat den "Gramic Award 2013" des Evangelischen Presseverbands für Bayern erhalten. Diese insgesamt mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung will die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen fördern - mit den Mitteln der Zeichenkunst.

Über 120 Zeichner, Illustratoren und Nachwuchskünstler aus aller Welt beteiligten sich an dem Wettbewerb, der 2013 Comics und Graphic Novels zum Thema Toleranz gesucht hat. Anlass des Wettbewerbs war die Lutherdekade, die in diesem Jahr unter dem Thema "Reformation und Toleranz" steht. Die Jury, zu der Cartoonist Werner "Tiki" Küstenmacher, der Augsburger Illustrationsprofessor Mike Loos sowie der Comic-Künstler Uli Oesterle und der Leiter des Münchner Comic-Festivals, Michael Kompa, gehörten, hat sich die Sache nicht leicht gemacht. "Wir hatten wirklich alle Mühe, eine Auswahl zu treffen", sagt Rieke Harmsen, Kuratorin des Projekts. Aus diesem Grund seien nicht nur drei Preisträger ausgewählt worden, sondern insgesamt neun.

Christoph Buchholz bekommt Gramic-Award

Christopher Buchholz aus Münster bekommt den ersten Preis, der mit 3000 Euro dotiert ist. Der zweite Preis in Höhe von 1500 Euro geht an Maximilian Hillerzeder aus Leipzig für seine sechsseitige Geschichte "Ich geh raus spielen, Mama!". Den dritten Preis in Höhe von 500 Euro bekommt der Hamburger Fabian Stoltz für seine Geschichte zum Thema "Menschenrechte". Insgesamt wurden für den Wettbewerb in drei Kategorien über 120 Einsendungen eingereicht.

In der Kategorie "Jugendliche" bekam Jonas Töpfer aus Halle an der Saale den ersten Preis für seine Geschichte "Die Anderen". Der zweite Preis geht an Hannes Hagen aus Regensburg für seine Erzählung mit dem Titel "Die Würde der Anderen", den dritten Preis erhält Dominik Schreffl aus Neustadt an der Waldnaab für seine Geschichte über einen neuen Mitschüler.

Mobbing in der Schule als Comic

In der dritten Kategorie für Kinder geht der erste Preis an Elina Gross aus Wetzlar für ihre Darstellung von Mobbing in der Schule. Den zweiten Preis bekommt die Gemeinschaftsarbeit "Das Mädchen mit den großen Füßen" von vier Schülerinnen der Grundschule Geltendorf: Jasmin Paul, Romy Ederer, Natascha Krug und Janine Fehre. Den dritten Platz erzielte die Münchnerin Anna Leser für ihre Geschichte von "Nodo auf der Suche nach neuen Freunden". Besondere Anerkennung fanden außerdem die Geschichten "Die Neue" von Vanessa Fobe und "Egal, was die anderen sagen" von Tamina Zieschang.

Die Münchner Stadtdekanin und Schirmherrin des Wettbewerbs, Barbara Kittelberger, wird die Preise am Samstag, 1. Juni, um 18 Uhr in der Münchner St.-Markus-Kirche überreichen. Eine Auswahl von rund hundert verschiedenen Einsendungen ist in der Ausstellung "Toleranz im Comic" von 29. Mai bis 2. Juni 2013 in der Münchner St.-Markus-Kirche zu sehen und gehen anschließend auf Tournee durch Deutschland.