Etwa ab dem 18. Jahrhundert wurden die Jenischen von verschiedenen Grundherren angesiedelt. Nicht uneigennützig: Entweder sollten die Neubürger Steuern einbringen oder sie sollten das Konfessionsgefüge eines Orts zugunsten der katholischen Kirche verschieben. Die Ausstellung "Auf der Reis’ – die ›unbekannte‹ Minderheit der Jenischen im Südwesten" im Hohenloher Freilandmuseum Schwäbisch Hall-Wackershofen stellt die Geschichte des einstigen fahrenden Volks vor.

Gar so selten, wie man meinen möchte, war das "vergessene Volk" der Jenischen nicht. So nennt eine Ausstellungstafel als Orte mit nachverfolgbarer Jenischen-Geschichte unter anderem Schillingsfürst und Ichenhausen bei Günzburg, wo der erste jenische Fußballverein gegründet wurde.

Arme Hausierer, stolze Europäer

Die Hauptattraktion der Ausstellung ist ein hölzerner Reisewagen aus dem frühen 20. Jahrhundert. "Er zeigt, wie eine Familie während der Reis’ auf engstem Raum lebte und arbeitete", erläutert Museumsleiter Michael Happe. Das Fahrzeug im Museum gehörte einer wohlhabenden Jenischen-Familie – die mit Motiven beschliffenen Glasfenster zeugen davon. Für viele der Jenischen, die meist als Kleinhandwerker wie Bürstenbinder oder Scherenschleifer, als Markt- und Hausierhändler unterwegs waren, war ein fester Wagen oder später ein Automobil nur ein Traum. Viele hatten ihre Habseligkeiten und Verkaufsartikel in einer Tragekiepe oder ein paar Koffern auf einem Handleiterwagen.

"Wanderarme oder die ersten echten Europäer?" fragt die Ausstellung. Eine Antwort darauf gibt es nicht. Stolz und Elend – beides gehört zur Geschichte der Jenischen. Die Ausstellung, an der Ehrenamtliche jenischer Herkunft mitgearbeitet haben, zeigt beides. Wobei die Fotodokumente naturgemäß eher die stolze Seite des Lebens wiedergeben: das neue Fahrzeug, die Frau in Festtracht, die Familie in Sonntagslaune.

In Konzentrationslager verschleppt

Ab dem 19. Jahrhundert gaben die Jenischen ihren Wanderhandel auf und arbeiteten zunehmend auch als Handwerker. Unter den Nationalsozialisten wurden Jenische diskriminiert, in Zwangsarbeit geschickt, zwangssterilisiert oder in Konzentrationslager verschleppt. Die Verantwortlichen im "Rassehygienischen Institut" wurden nie zur Verantwortung gezogen, praktizierten sogar nach dem Zweiten Weltkrieg noch weiter. Die Jenischen wurden nie als Opfer anerkannt.

Jenisch für Nicht-Jenische gibt es im Schnelldurchgang auch in der Museumsausstellung. Man kann die Sprache in Videobeiträgen an Medienstationen hören und auf Ausstellungsbannern nachlesen. Und man kann seine Sprachfantasie an einer Wand mit Klappen testen: grüne Klappe mit jenisch "Wello" – darunter blau "Fahrrad". "Schmierling" ist die Butter, die "Lachebatschere" eine Ente, der "Galmenguffer" ein Lehrer, der "Tschabo" ein Freund und die "Tschai" ein Mädchen. Der "Stupfel" ist der Igel – Wappentier des 2016 gegründeten "Fördervereins für Jenische und andere Reisende".

INFO: Die Ausstellung "Auf der Reis' – die ›unbekannte‹ Minderheit der Jenischen im Südwesten" ist im Hohenloher Freilandmuseum Wackershofen zu sehen. ÖZ: bis 30. September täglich 9-18 Uhr, von Oktober bis 5. November Di bis So 10-17 Uhr. Eintritt 8 Euro, Kinder/ermäßigt 6 Euro.

Internet: www.wackershofen.de