Als Helmut Striffler 1964 mit dem Entwurf der Versöhnungskirche betraut wurde, stellte sich ihm die schier unlösbare Frage: Wie kann man an solch gottlosem Ort eine Kirche bauen?

Der rechtwinklige Grundriss des KZ wurde zum Schlüssel für das Problem. "Gewehrkugeln fliegen geradeaus", so brachte Helmut Striffler die grausame Logik der Nazi-Architektur bei einem Vortrag in Dachau einmal auf einen Nenner. Alle Gebäude und Wege des KZ waren rechtwinklig angeordnet, jede Abweichung von dieser Norm fehlte – nur so war es möglich, Tausende Menschen mit einer Handvoll SS-Leuten in Schach zu halten.

Der junge Architekt wollte diesem tödlichen Prinzip etwas entgegensetzen. Er warf alles, was er bis dahin über Architektur gelernt hatte, über Bord und plante eine Kirche, die nahezu ohne rechten Winkel auskommt.

Versöhnungskirche als Ort der Zuflucht

Auch persönliche Erfahrungen spielten eine Rolle. Obwohl bei Kriegsende gerade 18 Jahre alt, hatte Helmut Striffler schon eine zweijährige "Militärkarriere" als Flakhelfer hinter sich.

Bei einem Fliegerangriff erlebte er, wie wichtig ein Versteck und ein Fluchtweg sein können: "Der Angriff kam, und mein einziger möglicher Weg führte über ein weites, verschneites Rollfeld. Es gab keine Furche, in die ich mich hätte werfen können, ich musste um mein Leben rennen." Aus dieser Erfahrung heraus grub Striffler die Versöhnungskirche halb in den Boden hinein und versah sie mit einem Fluchtweg. "Eine Kirche auf einem ehemaligen KZ sollte keine Sackgasse sein", davon war der Architekturprofessor überzeugt.

Was Helmut Striffler stets bedauerte, war die voneinander isolierte Stellung der katholischen, evangelischen und jüdischen Gedenkorte in der Gedenkstätte. "Es gab unter den KZ-Häftlingen eine starke innere Verbindung über die Konfessionsgrenzen hinweg – man war einig, ohne eins zu sein." Seine Idee, die Gedenkstätten näher zusammenzurücken und zu verbinden, scheiterte aber am Widerstand der katholischen Kirche und des internationalen Dachau-Komitees.

Den Besuchern bietet Strifflers Bau noch heute, was sich der Architekt gewünscht hat: einen Ort der Zuflucht vor Regen, Wind und dem Grauen des Lagers und einen Raum der Besinnung, der ohne Gebrauchsanweisung auf die Menschen wirkt.