Die Ehe für homosexuelle Paare könnte bald Realität werden. Am Mittwoch entschied der Rechtsausschuss des Bundestages, noch in dieser Woche über die »Ehe für alle« im Plenum des Parlaments abzustimmen und empfahl die Öffnung der Ehe, die bislang Beziehungen von Mann und Frau vorbehalten ist. Die SPD hatte wie angekündigt ihre Blockade einer Abstimmung aufgegeben, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren Kurs bei dem Thema änderte. Während SPD und die Opposition von Grünen und Linken sich bereits siegesgewiss freuen, kritisierte die Kanzlerin die Eile. Aus der katholischen Kirche kam scharfe Kritik.

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SPD, Grüne und Linke sind schon lange für die "Ehe für alle" und haben im Bundestag eine knappe Mehrheit von 320 der insgesamt 630 Stimmen. Die Union hatte sich bislang gegen die Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften mit der Ehe ausgesprochen und eine Abstimmung darüber verweigert. In den Reihen der CDU stieg aber auch die Zahl jener Abgeordneten, die die "Ehe für alle" befürworten.

Anfang der Woche deutete Bundeskanzlerin Merkel dann überraschend an, dass sie im Fall einer Abstimmung ihren Parteikollegen das Votum freigeben wolle in Form einer Gewissensentscheidung, wie sie beispielsweise bei ethischen Themen im Parlament üblich ist. In der Folge überrumpelte die SPD die Union mit der Ankündigung, noch in dieser Woche eine Abstimmung durchzusetzen.

Kanzlerin offenbar vom Vorstoß der SPD überrascht

Davon wurde wiederum die Kanzlerin offenbar überrascht. "Mir ist es fremd, wie eine solche Entscheidung genau in dem Moment, als sich die realistische Aussicht auf ein fraktionsübergreifendes Vorgehen ergab, in eine parteipolitische Auseinandersetzung gezogen wurde", kritisierte sie in der "Wirtschaftswoche". Das sei "traurig" und "völlig unnötig".

Die voraussichtlich namentliche Abstimmung wird für Unionsabgeordnete freigegeben. Nach Schätzungen aus Fraktionskreisen könnten ein Viertel bis ein Drittel der Vertreter aus CDU und CSU für die "Ehe für alle" stimmen. Damit wäre die Mehrheit im Bundestag für die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare deutlich.

Wann genau die Abstimmung stattfinden wird, war am Mittwochnachmittag noch offen. Es könnte der erste Tagesordnungspunkt am Freitag werden. Die Sitzung beginnt an diesem Tag bereits um 8 Uhr. Auch den Bundesrat könnte das neue Gesetz noch vor der Bundestagswahl am 24. September passieren.

Mit dem Gesetzentwurf aus dem Bundesrat, der im Bundestag abgestimmt wird, würde im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben, dass auch zwei Personen gleichen Geschlechts eine Ehe eingehen können. Seit 2001 können homosexuelle Paare eine Lebenspartnerschaft eingehen, die der Ehe weitgehend gleichgestellt ist. Was Ehe und Lebenspartnerschaft heute noch unterscheidet, ist das Adoptionsrecht: Schwule und Lesben dürfen nicht gemeinsam ein Kind adoptieren. Das würde sich mit dem neuen Gesetz ändern. Bestehende Lebenspartnerschaften können - müssen aber nicht - in Ehen umgewandelt werden. Neue Lebenspartnerschaften könnten künftig aber nicht mehr geschlossen werden.

Ist eine Grundgesetzänderung nötig?

Im Parlament gibt es aber auch Bedenken, ob die "Ehe für alle" ohne Grundgesetzänderung möglich ist. Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), sagte der Rheinischen Post, es spreche einiges dafür, "dass die vorgeschlagene Gesetzesänderung das Ehegrundrecht verletzt". Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hält dagegen eine Verfassungsänderung nicht für notwendig. "Wir sehen einen Wandel des traditionellen Eheverständnisses, der angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung der 'Ehe für alle' verfassungsrechtlich zulässt", sagte Maas den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag).

Die katholische Kirche kritisierte die voraussichtliche Öffnung der Ehe scharf. Der Staat müsse die Ehe zwischen Mann und Frau als prinzipiell lebenslange Verbindung "mit der grundsätzlichen Offenheit für die Weitergabe von Leben" schützen und fördern, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx. Er bedauere es, "wenn dieser Ehebegriff aufgelöst werden soll".

Von evangelischer Seite kam eher Zustimmung. Nach Ansicht des hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung würde die "Ehe für alle" eine lange Geschichte der Diskriminierung beenden. Sie wäre auch keine Schwächung der Ehe, wie manche befürchteten, sagte Jung dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die mitteldeutsche Bischöfin Ilse Junkermann äußerte dagegen im MDR Skepsis. Zwar befürwortete sie das Recht auf Adoption für Schwule und Lesben. Den Begriff der "Ehe" auch auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften anzuwenden, belaste aber "das Verständnis zwischen der besonderen Beziehung zwischen Mann und Frau", so Junkermann.