Die documenta 14 in Kassel widmet sich intensiv dem Themenbereich Religion, Glaube und Spiritualität, Toleranz und Demokratie. Wir zeigen die Highlights, die Sie nicht verpassen dürfen.

Königsplatz: Olu Oguibe, »Das Fremdlinge und Flüchtlinge Monument«

Der 16 Meter hohe monumentale Beton-Obelisk des nigerianischen Künstlers Olu Oguibe ist mit einem Zitat aus dem Matthäus-Evangelium in Deutsch, Türkisch, Englisch und Arabisch beschriftet: »Ich war ein Fremdling und ihr habt mich beherbergt«. Der Königsplatz wird häufig für politische Demonstrationen genutzt, zuletzt etwa für Protestaktionen gegen den Lagerzwang von Flüchtlingen.

 Königsplatz: Olu Oguibe, »Das Fremdlinge und Flüchtlinge Monument«
Königsplatz: Olu Oguibe, »Das Fremdlinge und Flüchtlinge Monument«

Torwache: Ibrahim Mahama, »Check Point Sekondi Loco. 1901–2030. 2016–2017«

Auf dem zentralen Syntagma-Platz in Athen nähte der Künstler aus Ghana gemeinsam mit Geflüchteten grobe Jute-Säcke zu riesigen Stoffbahnen zusammen. In Kassel wurden diese Bahnen zusammengefügt und vor die Torwache gehängt – in der die Brüder Grimm wohnten. Die Säcke, in denen Kakao oder Reis transportiert wurde, erzählen von Ausbeutung, Profitgier und kolonialer Geschichte und dem ungleichen Verhältnis zwischen Afrika und Westeuropa.

Torwache: Ibrahim Mahama, »Check Point Sekondi Loco. 1901–2030. 2016–2017«
Torwache: Ibrahim Mahama, »Check Point Sekondi Loco. 1901–2030. 2016–2017«

Friedrichsplatz: Marta Minujín, »The Parthenon of Books«

Das Kunstwerk der argentinischen Künstlerin Marta Minujin gilt jetzt schon als Wahrzeichen der documenta 14. Aus der Ferne glitzert der Büchertempel verführerisch in der Sonne. Steht man direkt vor einer Säule, so sind die Bücher zu erkennen. Insgesamt 50.000 Bücher, die irgendwo auf der Welt mal verboten waren oder es heute sind, sollen an den 70 mal 30 Meter großen Tempel gehängt werden. Neben dem »Das Guantanamo-Tagebuch«, »Die Leiden des jungen Werther«, »Alice im Wunderland«, »Die satanischen Verse« oder »Der kleine Prinz« sind natürlich auch diverse Bibel-Ausgaben zu finden. Bücher-Spenden werden weiterhin angenommen.

Friedrichsplatz: Marta Minujín, »The Parthenon of Books«.
Friedrichsplatz: Marta Minujín, »The Parthenon of Books«.

Documenta-Halle: Cecilia Vicuña, »Quipo Mapocho«

Mit ihren Performances verbindet die südamerikanische Künstlerin Vicuna lyrische Texte mit indigener Geschichte. Für ihr Kunstwerk in der Documenta-Halle greift sie auf eine präkolumbianische Tradition zurück, bei der Fäden mit Knoten versehen werden, um wichtige religiöse Ereignisse aufzuzeichnen. Gemeinsam mit einer Frauengruppe hat sie bei einer Performance riesige purpurrote Wollfäden entrollt und an der Decke aufgehängt, die an die Muttergottheiten der Andenregion erinnern sollen.
 

Documenta-Halle: Cecilia Vicuña, »Quipo Mapocho«
Documenta-Halle: Cecilia Vicuña, »Quipo Mapocho«

Orangerie: Romuald Karmakar, »Byzantion« und »Die Entstehung des Westens«

Vielstimmige orthodoxe Chorgesänge dringen aus den Türen der Orangerie. Wo der hessische Landgraf Karl I. seine Sommerfrische genoss, können sich nun Besucher in das Halbdunkel setzen und russische sowie griechische Mönche in glitzernden Kirchengebäuden bewundern. Die Video-Installation des Wiesbadener Filmemachers Romuald Karmakar ist ausgesprochen einprägsam. Sie steht in Verbindung mit einem LED-Spruchband, das er an die Außenwand des Westflügels montiert hat. Auf diesem blinken Texte, die das Ende des byzantinischen Reiches und den Fall von Konstantinopel dokumentieren.


Orangerie: Romuald Karmakar, »Byzantion« und »Die Entstehung des Westens«.
Orangerie: Romuald Karmakar, »Byzantion« und »Die Entstehung des Westens«.

Fridericianum: Lucas Samaras, »Hebraic Embrace«

Die Selfie-Kultur nimmt die Installation des 1936 geborenen griechischen Künstlers Lucas Samaras aufs Korn. Das tempelförmige Gebilde mit Spiegeln ist zweifellos eines der meistfotografierten Kunstwerke im Fridericianum. Die Installation spielt mit den Assoziationsräumen – vom Spiegel als Motiv für Vergänglichkeit bis hin zur Bedeutung von Umarmungen in der jüdischen Religion. Der exzentrische Künstler, der sich nach einem »Erweckungserlebnis« von der Öffentlichkeit zurückzog, war 1968 bereits auf der documenta vertreten.

Fridericianum: Lucas Samaras, »Hebraic Embrace«
Fridericianum: Lucas Samaras, »Hebraic Embrace«

Documenta-Halle: Miriam Cahn, »Auf Augenhöhe«

Die Basler Künstlerin Miriam Cahn legt ihre Finger gerne in die Wunde: Krieg und Angst, Feminismus und die Rolle der Frauen sind die Themen, mit denen sich die Malerin auf der documenta präsentiert. Ihre grellroten Ölgemälde zeigen nackte, vergewaltigte, fliehende Frauen, aber auch Waffen und Menschen, die selbst Gewalt ausüben. Mitten drin hängt eine nackte Frau als Ecce-Homo-Motiv, stellvertretend für das Leid und die Entwürdigung des Menschen durch Gewalt und Krieg. »Kunst ist interessant, wenn sie versucht, das Jetztsein zu erwischen«, sagt Cahn.

Documenta-Halle: Miriam Cahn, »Auf Augenhöhe«.
Documenta-Halle: Miriam Cahn, »Auf Augenhöhe«

Neue Galerie: Jahangir-Album

Zwischen all der zeitgenössischen Kunst überraschen die documenta-Macher immer wieder mit Meisterwerken aus vergangenen Jahrhunderten. Die indischen Buchmalereien aus dem Jahangir-Album entstanden um 1600 und wurden vom Herrscher Nur-du-din Muhammad Salim (1569-1627) in Auftrag gegeben mit dem Ziel, die öffentliche Debatte zwischen jesuitischen Missionaren und islamischen Theologen zu fördern. Die goldglänzenden Miniaturen verbinden auf sehr ungewöhnliche Art und Weise islamische Kalligrafie mit christlichen Bildmotiven und erinnern damit an den durchaus lebendigen Dialog zwischen den Religionen in anderen Kulturkreisen.

Neue Galerie: Jahangir-Album