Eins der weitreichendsten Bewirtungskonzepte im Kirchenkreis bietet die Münchner Versöhnungskirche im Brennpunktviertel Harthof. Seit 17 Jahren serviert das Team von derzeit 26 Ruheständlern jeden Montag, Mittwoch und Freitag ein Drei-Gänge-Menü für rund 30 Menschen. "Ich komme zwei bis dreimal pro Woche", sagt Andreas Lutz und löffelt die Karottencremesuppe aus der Allianz-Kantine – der Versicherer spendet immer montags das Essen. Zur zeitgleich stattfindenden Tafel geht Lutz auch – und schätzt an der "Kirchenküche" vor allem die Geselligkeit.

"Ach, der Moses kommt heute auch", ruft  Brigitte Janner, als sie beim Blick aus dem Fenster einen älteren Mann mit Wollmütze und abgetragenem Mantel entdeckt. Die 64-Jährige leitet die Kirchenküche seit sieben Jahren und kennt ihre Gäste beim Namen. "Die meisten sind Rentner und Hartz-IV-Empfänger aus dem Viertel", sagt Janner. Für diese Zielgruppe sei es hilfreicher, regelmäßig das ganze Jahr über mit einem warmen Essen und einem freundlichen Wort versorgt zu werden als - wie bei Vesperkirchen üblich - vier Wochen am Stück.

 

Brigitte Janner, Leiterin der Kirchenküche in München
Brigitte Janner ist Leiterin der Kirchenküche im Münchener Stadtteil Harthof.

Kirchenküche ist ganzjährige Vesperkirche

Die Kirchenküche im Harthof finanziert sich über Spenden – und über ein engmaschiges Netz von Freunden und Gönnern, dessen Fäden bei Brigitte Janner zusammenlaufen. Was sie am Mittwoch kocht, überlegt sich die energische Münchnerin meist erst am Montag. Bleibt bei der Tafel Quark übrig, wird daraus am Mittwoch die Nachspeise – aufgepeppt mit der Marmeladenspende einer Dame im Altenheim, die sie regelmäßig besucht. Auch im Bekanntenkreis hält Janner die Hand auf: Von befreundeten Norwegenfans bekommt sie selbst gefangenen Fisch. „Da weiß ich, dass die Qualität stimmt“, sagt die gelernte Zahnarzthelferin, die seit 35 Jahren Kochkurse an der Volkshochschule gibt.

Auch prominente Unterstützer hat die Kirchenküche: Kabarettistin Luise Kinseher, die „Mama Bavaria“ vom Nockherberg, ist Patin der Kirchenküche. Sie gastiert einmal im Jahr in der Versöhnungskirche, um Geld in die Kassen zu spülen. Wiesn-Wirt Wiggerl Hagn, Chef des Traditionsbiergartens Hirschau, spendet regelmäßig Lebensmittel. Und die Küche im Keller des Gemeindehauses wurde noch von Rudolph Moshammer gestiftet. Dreimal pro Woche ist sie im Einsatz, rund ums Jahr – nur im August macht die Kirchenküche im Harthof für zwei bis drei Wochen Sommerpause.

Gemeinde Prien wollte Vesperkirche eröffnen

Bereits über eine Vesperkirche nachgedacht hatte die Gemeinde Prien am Chiemsee. "An dem Konzept reizt mich alles!", sagt Pfarrer Karl-Friedrich Wackerbarth. Dennoch habe man sich gegen die Umsetzung entschieden, weil die Gemeinde zu weit vom Ortskern entfernt und die Marktgemeinde insgesamt auch zu klein sei. Stattdessen haben die Priener vor vier Jahren ein "Café International" eröffnet, bei dem sich jeden Freitagabend Geflüchtete und Einheimische begegneten. Dieses Café wurde vor sechs Monaten wieder geschlossen, weil die Flüchtlinge entweder in Arbeit oder Schulungen untergebracht waren – "ein gutes Zeichen", findet Wackerbarth.

Überlegungen für eine Vesperkirche hat es 2016 auch in der Bischofskirche St. Matthäus in München gegeben. Seit 21 Jahren laden die Matthäusdienste des CVJM alle 14 Tage rund 100 Gäste zum Frühstück; einmal im Monat findet das Café statt, und zu Weihnachten schmausen fast 300 Bedürftige und Einsame "den besten Schweinebraten Münchens", wie Pfarrer Thomas Römer einen Gast zitiert. Er sei froh, "dass wir dieses Angebot durchführen können". Für eine vierwöchige Vesperkirche sehe er Kapazitätsprobleme.

Vertrauensfrau Corinna Gilio hingegen lockt das Projekt ungemein. Die Gastronomin betreibt einen Cateringservice mit Weinhandel, kocht jeden Tag für 400 Kindergartenkinder und sagt: "Das ist alles eine Frage der Organisation und des Geldes." Letzteres sei derzeit für diakonische Projekte gut einzutreiben. Das "Nein" zur Vesperkirche vor zwei Jahren habe sie akzeptiert. Doch die Offerte der Landeskirche habe ihre Sehnsucht wieder geweckt: "Ich würde St. Matthäus gern mit einer Vesperkirche zum Leuchten bringen – am liebsten zweimal im Jahr."

 

Was ist eine Vesperkirchen?

  • KONZEPT: Bei einer Vesperkirche gibt es über einen Zeitraum von mehreren Wochen in einem Kirchenraum ein preisgünstiges Essen, verbunden mit geistlichen Impulsen und Beratungsangeboten.
     
  • FÖRDERPROGRAMM: 100.000 Euro stellen Landeskirche und Diakonie für die Ausbreitung des Konzepts zur Verfügung. Gemeinden, die erstmals eine Vesperkirche anbieten wollen, können einmalig 10.000 Euro Förderung im ersten Jahr und nochmals 5.000 Euro im zweiten Jahr erhalten.
     
  • LOB KOMMT VON Oberkirchenrat Detlev Bierbaum: Vesperkirchen seien "ein tolles Angebot", bei dem die unterschiedlichsten Menschen im Kirchenraum zusammenkommen. Die vier bayerischen Vesperkirchen finden sich in Schweinfurt, Würzburg und zweimal in Nürnberg.