Der Jakobsweg ist so etwas wie Michael Kaminskis zweites Zuhause. Vier der fünf großen Routen des populären Pilgerwegs durch Spanien ist der 47-jährige Religionspädagoge schon bis nach Santiago de Compostela gelaufen. Heuer wird er die fünfte Route pilgern. Kaminski wandert aber nicht nur alleine. Als Pilgerbegleiter ist er für das Evangelische Forum Annahof in Augsburg mit Menschen in besonderen Lebenssituationen unterwegs und leitet sie auf ihrer Wanderung an.

        

Herr Kaminski, wie oft im Jahr machen Sie sich auf den Weg?

Michael Kaminski: Ich bin als Pilgerbegleiter bis zu zehn Mal im Jahr mit verschiedenen Gruppen unterwegs. Da geht es um thematische Pilgerwanderungen zu Themen wie »Trauer« oder »Sehnsucht«. Mehrere Wochen laufe ich aber auch alleine, um beim Pilgern zu mir zu kommen und meine eigenen Themen zu bearbeiten.

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Das klingt nach großer Leidenschaft?

Kaminski: Ja, ich bin wohl vom sogenannten Pilgervirus infiziert. Ich pilgere nun seit neun Jahren, beruflich und im Urlaub. Von jeder Wanderung bringe ich tiefe Erlebnisse und auch Erkenntnisse über mich mit. Pilgern bedeutet für mich, meine Lebenszeit wesentlicher zu gestalten.

Was fasziniert Sie so daran?

Kaminski: Vor allem die Begegnungen auf dem Weg. Menschen, die pilgern, sind fast immer sehr offen. Das führt zu intensiven Gesprächen, sei es auf dem Weg oder abends in der Pilgerherberge. Das ist etwas Wesentliches für mich. Die Tiefe solcher Begegnungen und Gespräche macht für mich auch den Unterschied aus zwischen Pilgern und ganz normalem Wandern.

Waren die Begegnungen und Gespräche auch der Grund für Sie, ein Buch über das Pilgern zu schreiben?

Kaminski: Ich habe im Laufe der Jahre gemerkt, dass die Menschen, die sich auf einen Pilgerweg begeben, fast immer in einer Umbruchphase in ihrem Leben sind. Das kann eine Trennung sein, der Verlust eines lieben Menschen, Stress und Burn-out, eine Krankheit oder auch Glaubenszweifel. Wer pilgert, spürt eine Sehnsucht, er ist auf der Suche. In meinem Buch zeige ich, wie Pilgern in solchen Übergängen wirken kann.

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Welche Rolle spielt das Pilgern?

Kaminski: Umbrüche verlangen nach einer inneren Veränderung. Die äußere Bewegung des Pilgerns kann dabei den inneren Prozess anstoßen. Das kann man anleiten, und als Pilgerbegleiter tue ich das auch. Wenn ich mich etwa mit Trauernden auf Pilgerschaft begebe, sucht jeder einen Stein für das Schwere im Leben. Nach einiger Zeit findet man einen Ort, den Stein abzulegen. So beginnt man, seine innere Last zu verändern. Aber auch wer alleine pilgert, wird durch das Buch Impulse für den Weg bekommen, die verändern und weiter bringen.

Wie funktioniert das?

Kaminski: Ein bekanntes Pilgerwort besagt: Der Weg gibt dir nicht unbedingt das, was du willst, sondern das, was du brauchst. Man geht auf dem Weg und verlässt seine persönliche Komfortzone. Das bedeutet etwa, dass man Etappen so wählt, dass sie einen auch herausfordern. Wer pilgert, wird die Erfahrung machen, dass er Dinge schafft, die er sich vielleicht selbst nicht zugetraut hätte. Er sieht außerdem, dass der Weg immer weitergeht, auch wenn es schwer ist. Und er trifft Menschen, die ihn voranbringen, ihn mit neuen Fragen konfrontieren. Vielleicht findet er in ihnen auch Vorbilder.

Sollte man sich also am besten alleine auf den Weg machen?

Kaminski: Eine Gruppe kann Sicherheit geben. Aber allein zu gehen, ist hilfreich, weil man offen ist, sich selbst am nächsten kommt und kaum Kompromisse machen muss. Die Gesellschaft mit anderen ergibt sich dann auf dem Weg ganz automatisch. Ich finde es außerdem wichtig, dass man sich vor Beginn der Pilgerreise ein geistliches Wort aussucht und sich einen Segen zusprechen lässt. So steht der Weg von Anfang an auf einem spirituellen Fundament, das einen trägt.

Buch-Tipp

Michael Kaminski: Pilgern mitten im Leben. Wie deine Seele laufen lernt.

Herder CoverMichael Kaminski: Pilgern mitten im Leben. Wie deine Seele laufen lernt. Herder Verlag, Freiburg, 2016, 224 Seiten, ISBN 978-3-451-31026-3, 19,99 Euro.