Maria hat ihren angestammten Platz. Ebenso Josef, Ochs und Esel, die mit ihren Nüstern dem Kind in der Krippe Wärme geben. Eine kleine Laterne im vorderen Teil erhellt die Begebenheit im Stall. "Niemals darf es eine rote Laterne sein", sagen Karl Heinz Guter aus Kempten und Herbert Kneißl aus Waltenhofen-Hegge, "denn die gehört nach St. Pauli."

Sie müssen es ja wissen. Beide Allgäuer gehören zu der sehr kleinen, aber feinen Zunft der Krippenbaumeister in Deutschland. Im Sommer haben sie nach dreijähriger Ausbildung in Innsbruck ihre Prüfung abgelegt.

Ausbildung zum Krippenbaumeister

Die Ausbildung, die bisher in Bayern nicht möglich ist, führt vom Krippenbau-Helfer stufenweise zum Lehrer und Kursleiter und dann zum Krippenbaumeister. Verliehen wird der Titel einzig und allein vom Verband der Krippenfreunde in Österreich, der rund 11.000 Mitglieder hat. Seit zwanzig Jahren "krippeln" die beiden Pensionäre mit Berufskollegen, Freunden und deren Angehörigen. "Für mich ein beruhigender Ausgleich zum täglichen Schreibtisch-Job", erzählt Karl Heinz Guter. Und weil das Hobby so nervenschonend ist, kamen bis heute 220 Krippen zustande.

"Mein Urgroßvater war Zimmermeister, mein Vater und mein Onkel Schreiner - und ich hab's nicht werden dürfen", meint Guter. Stattdessen machte er vor vielen Jahren seine zweite Leidenschaft - Radio- und Fernmeldetechnik - zu seinem Beruf.

Krippenausstellungen

Immer wieder präsentieren die "Telekom Hobbyschnitzer und Krippenbauer Kempten im Allgäu", zu denen Guter und sein Kollege Herbert Kneißl gehören, ihre Kreationen reihum auf regionalen Ausstellungen. Zur Telekom-Gruppe gehören 14 Krippenschnitzer und eine Schnitzerin. Das jüngste Mitglied ist mit elf Jahren schon ein "alter Hase". Der Bub wetzt seit über fünf Jahren das Schnitzmesser und baute soeben völlig selbstständig seine erste Krippe.

Werkstattmäßig untergebracht ist die Gruppe im Telekomgebäude Kempten-Oberwang. Die meiste Zeit des Jahres schnitzen und restaurieren die "Amateur-Profis" im Auftrag des Landesamts für Denkmalpflege in München. Sie werden von Kirchengemeinden, aber auch von Privatpersonen engagiert. "In so mancher Kapelle oder Kirche stehen heute unsere Figuren, die Originale dagegen sind im Museum verwahrt", berichtet der Allgäuer Krippenbaumeister.

Krippenbau hat seine Zeiten

Nur das letzte Drittel eines Jahres ist dem Krippenbau vorbehalten. Dann werden auch Kurse veranstaltet für Hobbyschnitzer, mit dem Ziel, in knapp drei Tagen unter Anleitung sich eine eigene Krippe zu bauen. Der Kurs inklusive Material kostet 250 Euro. Fertig sind die Krippen etwa das Dreifache wert. Natürlich bekommen Interessierte Hilfestellung. An die 80 bis 100 Vorschläge sind in Bildern festgehalten. "Wenn die Leute uns ihre Figuren bringen, bauen wir die Krippe in den genauen Proportionen zu den Gestalten", erläutert Herbert Kneißl.

An die 400 verschiedene Materialien braucht es für eine Krippe. Was in der Natur vorkommt, taugt am besten. Felsen werden aus Lärchenrinde gestaltet. Wellpappe ist ideales "Ziegelmaterial". Leim festigt das Krippen-Gehäuse. Mit Leimwasser, Chinakreide und Schleifstaub wird der "Verputz" hergestellt.

"Wir arbeiten sehr genau, alles Holz wird überschnitzt", berichtet Guter.

Ein von Eichhörnchen angeknabberter Tannenzapfen eignet sich als orientalisch aussehender Palmen-Stamm. Filigran gearbeitete Bänke, Vogelhäuschen, Besen, Melkschemel, Butterfässer sind der handwerkliche Clou. Und aus der grünen Krone einer Baby-Ananas wird schnell die stilechte Agave.

Und so wundert es nicht, dass eine Krippe von Meisterhand ihre 60 bis 100 Arbeitsstunden braucht. Wobei die Zeit für handgeschnitzte Figuren nicht mitgerechnet ist. Um solche Fertigkeiten zu perfektionieren, bildet sich die Kemptener Gruppe in Kursen im österreichischen Lechtal weiter. Man glaubt nicht, was da alles beachtet werden muss. Wie vielfältig der Umgang mit Holz und Glas ist. Was für Techniken die figürliche Anatomie erfordert. Wie man aufpassen muss beim Modellieren.

Jede Krippe ist individuell

Daneben werden noch fleißig Ausstellungen besucht, die neue Anregungen liefern. "Da stehlen wir mit den Augen", lacht Guter, "aber Krippenschnitzer haben eigentlich keine großen Geheimnisse voreinander." Jede Krippe ist individuell - doch Maria und Josef, Ochs und Esel haben überall den gleichen Platz.

Wie wird man nun Krippenbaumeister? 1988 hat der heute 60-jährige Karl Heinz Guter einen Kurs für Hobbyschnitzer im Lechtal absolviert. 1991 folgte der erste, ein Jahr später der zweite Krippenbaukurs. Anschließend gab der Kemptener bereits privat Kurse für Kollegen und Angehörige. Über ein Info-Blatt erfuhr er von der Ausbildung in Österreich. Im Jahr 2000 fing er in Innsbruck an. "Im Oberallgäu sind wir wohl die einzigen Krippenbaumeister", schätzt Guter, der die Allgäuer Schnitzer-Szene wie seine Westentasche kennt.