Höhere Löhne in der Pflege sind nach Ansicht des Finanzvorstandes der Rummelsberger Diakonie, Harald Frei, kein Allheilmittel für bessere Pflege. Die Rummelsberger betreiben ambulante und stationäre Einrichtungen für rund 2.700 Senioren an 13 bayerischen Standorten. 1.200 Beschäftigte von den rund 5.900 Mitarbeitenden der Diakonie sind in der Altenhilfe tätig.

Herr Frei, die CSU hat unlängst nach ihrer Konferenz in Kloster Banz mehr Wertschätzung für die Pflege gefordert. Was sagen Sie dazu?

Frei: Es ist zumindest ein Zeichen, dass das Thema anerkannt ist und auf der politischen Ebene diskutiert wird. Aber was soll ein an die abstrakte Allgemeinheit gerichteter Appell?  Dem müssen Taten folgen.  Man kann nicht einfach sagen, jetzt erhöht Ihr Leistungserbringer mal das Gehalt und schon ist alles gut. Kostet der Heimplatz dann monatlich 1.000 Euro mehr, kann ihn keiner mehr zahlen. Wenn wir unsere Gehaltstabellen anschauen und querbeet mit anderen Berufen vergleichen, liegt der Pflegeberuf nicht schlecht. Die Diakonie in Bayern mit ihrem Tarif zahlt ein Jahresgehalt von 36.000 Euro in einer durchschnittlichen Stufe. Wir dürfen uns nicht immer mit Audi in Ingolstadt vergleichen. Ein anderes Thema ist aber die generelle Lohngerechtigkeit: Ist es sinnvoll, dass der Automechaniker so viel verdient, wie ein Altenpfleger? Wenn ich die Bewohner eines Heims frage, sagen die sicher, dass die Pfleger mehr verdient hätten.

Würden Sie denn für 36.000 Euro arbeiten?

Frei: Es ist unbestritten, dass Altenpflege ein schwerer Job ist. Letztendlich muss die Gesellschaft entscheiden, was ihr die Pflege wert ist. Aber kann man sich nur mit Leidenschaft für die Bewohner einsetzen, wenn man mehr verdient? Das Gehalt ist wichtig und sollte stimmen. Wichtiger ist jedoch, dass die Anerkennung für den Beruf hoch ist und die Atmosphäre stimmt. Der Enthusiasmus der Mitarbeiter hängt aber nicht allein am Gehalt. Letztlich entwickelt sich das Arbeitsklima aus der Einrichtung heraus, auch durch eine gute Leitung.

Als Bewohner habe ich also Glück oder Pech, ob in dem Heim die Mitarbeiter ein gute Arbeitsatmosphäre haben?

Frei: Das würde ich nicht abstreiten, aber das gibt es in jedem Beruf. Der Arbeitnehmer kündigt selten wegen der Arbeit, aber meistens wegen des Chefs. Aber wenn ich natürlich als Chef ständig gegen harte Rahmenbedingungen kämpfen muss, sehen muss, wo das Geld herkommt und mir den letzten Euro absparen muss, um überleben zu können, das Personal sowieso nicht bekomme, dann ist die Situation bescheidener, als aus dem Vollen zu schöpfen.

"Es ist unbestritten, dass Altenpflege ein schwerer Job ist": Harald Frei ist Finanzvorstand der Rummelsberger Diakonie.

Also müssen die Pflegebeiträge erhöht werden, damit mehr Geld im System ist?

Frei: Die Pflegeversicherungsleistung für die stationäre Pflege ist seit 1996 im Pflegegrad 3 (früher Stufe 2) faktisch gleich geblieben. Die Leistung für die Grade vier und fünf sind gestiegen, aber in der normalen Einstiegsstufe ist sie nach 20 Jahren um 300 Euro abgesenkt worden. Das heißt: gleiche oder sogar niedrigere Kassenleistung bei 60 Prozent Kostensteigerung in derselben Zeit. Ein durchschnittlicher Heimplatz kostet über den Daumen 3.000 Euro, drei Prozent Kostensteigerung jedes Jahr durch Tariferhöhungen und Sachaufwand bedeuten also 90 Euro mehr, die für einen Platz nötig sind; die Rentensteigerung dagegen beträgt 30 Euro. Dass das nicht klappen kann, ist völlig klar. Die Ehefrau eines höheren Kirchenbeamten, der in einem unserer Häuser wohnt, hat uns kürzlich geschrieben, sie könne es sich nicht mehr leisten 1.000 Euro pro Monat zum Heimplatz ihres Mannes zuzuzahlen. Sie hat auch noch ihre eigene Wohnung. Also muss die Leistung der Pflegeversicherung steigen und logischerweise damit auch die Beitragssätze, so leid es mir als Beitragszahler selbst tut.

Aber in unserer Gesellschaft ist es doch auch ein Konsens, dass mehr Versicherungsleistungen in ambulante Pflegeleistungen statt in stationäre fließen sollen?

Frei: Wir erleben nach einem Jahr Pflegestärkungsgesetz keinen Rückgang in der Belegung der stationären Einrichtungen. Das heißt, die Leute kommen, weil sie einen Heimplatz brauchen. Die Grundlogik, nur gering pflegebedürftigen Menschen die Möglichkeit zu geben, zu Hause zu bleiben, ist okay, aber es werden Leute als gering pflegebedürftig eingestuft, die sehr wohl stationär versorgt werden sollten. Unser Plädoyer: lasst den Menschen eine Wahlfreiheit und dann stattet sie auch mit Möglichkeiten aus, das zu wählen, was ihren Bedürfnissen entspricht. Ein stationäres Heim ist entgegen manch politischer Darstellung nicht der Untergang der Menschheit, sondern eine vernünftige Versorgungsform.

Bei den Koalitionsverhandlungen stehen jetzt auch Verbesserungen für die Pflege auf dem Plan. Was wünschen Sie sich in diesem Bereich von den zukünftigen Regierungspartnern?

Frei: Lösungen mit Sachverstand und nicht mit ideologischem Tunnelblick. Die handelnden Politiker sollten die demografische Entwicklung, die wirklichen Bedarfe, die Gesamtzusammenhänge erkennen und sich darüber Gedanken machen. Und die Finanzierung muss geklärt sein: Man erhöht die Leistungen der Pflegeversicherung. Das bedeutet mehr Belastung für die Beitragszahler oder den Mut, den Menschen zu sagen: verkauft alle euer Häuschen, damit ihr euch die Pflege leisten könnt. Und dann erwarte ich von einer Regierung einen Masterplan für Pflege und Gesundheit. Der Pfusch wie im Gesundheitswesen, überall an einem Schräubchen zu drehen, ohne die Auswirkungen an anderen Stellen zu beachten, nutzt uns allen nicht. Ich würde raten: Analysiert mal alles, stellt es auf den Kopf und macht es gescheit neu.