Zwei Besuche haben dem Leben des früheren bayerischen Kultusministers Hans Maier eine entscheidende Weiche gestellt.

In die Freiburger Wohnung der Familie kam ein Lehrer, und legte der Mutter dringend nahe, ihren Sohn Hans aufs Gymnasium zu schicken, erzählte Maier, der am 18. Juni 90 Jahre alt wird, einmal in einem Interview.

Wenig später sei eine Nazi-Größe erschienen, um den begabten Buben für die NS-Kaderschmiede "Napola" zu werben. Die Mutter habe diesen Menschen abwimmeln können und damit Hans Maier die Anfänge eine Bildungsweges ermöglicht, der ihn in große Höhen führte - bis zum Professor und bayerischen Kultusminister.

Hans Maier stammt aus einer bäuerlichen Familie

Diese steile akademische Karriere, die zu über 600 wissenschaftlichen Veröffentlichungen führte, war Hans Maier nicht in die Wiege gelegt. Er stammte aus einer bäuerlichen Familie, in der es vor ihm noch überhaupt keine "Studierten" gab.

Kurz nach seiner Geburt verunglückte sein Bruder tödlich, wenig später starb sein Vater, neben der Mutter und einigen Tanten wurde sein Großvater, der in deutlicher Distanz zum NS-Staat stand, zu seiner wichtigsten Bezugsperson.

Maier fand seine geistige Heimat in der katholischen Kirche

Eine geistige Heimat fand Hans Maier früh in der katholischen Kirche - er wurde Ministrant und begleitetet schon in ganz jungen Jahren die Gottesdienste als Organist. Der "Königin der Instrumente" ist er dann sein ganzes Leben verbunden geblieben - er schrieb sogar ein Buch über die Orgel und ist bis ins hohe Alter Organist in seiner Münchner Gemeinde Maria Immaculata. Die Musik sei für ihn "wie ein Kamin, durch den viel Rauch abzieht".

Katholischer Pfarrer hingegen mochte Maier nicht werden, weil er Familie und Kinder wollte. "Und das ist mir ja auch zum Glück geschenkt worden", sagte der Vater von sechs Töchtern später einmal.

Statt Theologie studierte er in Freiburg, München und Paris Geschichte, Germanistik, Romanistik und Philosophie und promovierte über ein Thema zum Verhältnis von Kirche und Demokratie. Nach seiner Habilitation wurde Maier 1962 Professor für Politische Wissenschaften am Geschwister Scholl-Institut der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität am Englischen Garten.

Als Kultusminister stand er für eine politikfreie Schule ein

Bereits 1970 wechselte er in die Politik und wurde bayerischer Kultusminister - zuerst ohne Mitgliedschaft in der Regierungspartei CSU und ohne Landtagsmandat. Als politischer Quereinsteiger scheute Maier keine Auseinandersetzungen, wenn es ihm um Grundwerte ging.

Er trat gegen Bildungskonzepte und pädagogische Bestrebungen der 68er - wie etwa die Ganztagsschule - und für eine politikfreie Schule, Leistungsprinzip und umfassende Bildung ein. Der "Zeitgeist" hat Maier dann aber zumindest in den eigenen vier Wänden eingeholt: Seine Töchter seien von den 68er Jahren geprägt und "daher ziemlich rebellisch" gewesen, sagte er rückblickend in einem Interview.

Nach 16 Jahren Amtszeit trat Maier zurück

Als Kultusminister war sich Maier immer bewusst, dass Bildungspolitik "nur Anstöße geben, Kräfte lockern, Initiativen ermutigen" könne, dass sie eine "Kraft der Anregung ist, nicht des Zwanges".

Zwang wollte er sich auch selbst nicht beugen und trat 1986 nach 16 Amtsjahren als Kultusminister zurück - aus Protest gegen die von Franz Josef Strauß (CSU) betriebene Aufsplittung des Kultusministeriums in zwei Ministerien mit den Schwerpunkten Unterricht und Wissenschaft. "Ich konnte und wollte mich nicht selber teilen", begründete er seinen Rücktritt.

Maier kehrte an die Ludwig-Maximilians-Universität zurück

Nach seinem langen Ausflug in die Politik kehrte Maier zu seinen akademischen Wurzeln zurück und wechselte als Professor auf den renommierten Guardini-Lehrstuhl für christliche Weltanschauung, Religions- und Kulttheorie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität.

Neben seinen Tätigkeiten zwischen Landtag und Lehrstuhl war Maier von 1976 bis 1988 Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken. In den kontroversen Auseinandersetzungen um die Zukunft der katholischen Beratungsstellen hatte Maier auch in einem Brief an den damaligen Kardinal Joseph Ratzinger eindringlich appelliert, die katholische Kirche solle sich weiterhin an dem gesetzlichen System der Schwangerschaftskonfliktberatung beteiligen.

Das trug Hans Maier handfesten Ärger mit seiner Kirche ein: Der damalige Regensburger katholische Bischof Gerhard Ludwig Müller untersagte kurzerhand eine Veranstaltung in Räumen des Bistums, bei der Maier seine Autobiografie "Böse Jahre, gute Jahre" vorstellen wollte.

Maier wagte den Blick über den konfessionellen Tellerrand

Als katholischer Spitzenrepräsentant wagte Maier immer wieder den Blick über den konfessionellen Tellerrand. Aus katholischer Sicht sei an Luthers Lehrer "nichts Irrgläubiges zu finden". Luther gehöre inzwischen allen Christen, weshalb Maier auch explizit evangelische Christen zum Katholikentag 1984 nach München eingeladen hatte.

Zum Abschied aus seinem kirchlichen Leitungsamt wünschte Maier seiner Kirche "mehr Fröhlichkeit, mehr unbekümmerte Offenheit, ein stärkeres weltkirchliches Bewusstsein".
Hans Maier lebt in engem Kontakt zu seiner Familie in München. Zu den sechs Töchtern kam eine stattliche Enkelschar.