Die arbeiten wie Chirurgen, holen einzelne Steine aus dem Mauerwerk heraus und setzen an derselben Stelle wieder neue ein, als ob nichts gewesen wäre", erklärt Häfner begeistert, als er Ronny Schäper bei der Arbeit zuschaut. Der Vorarbeiter und seine Firma Schaper aus Celle werden immer dann gerufen, wenn es um Spezialpatienten wie die Reichelsdorfer Philippuskirche geht. "Solche Bausünden sehen wir öfters, es gibt aber für alles eine Lösung", ist Schäper zuversichtlich. Mit einem Tross von rund 15 Kollegen wird er noch bis Mitte September hier zugange sein und das richten, was die Baufirmen vor über 50 Jahren versäumt haben: eine Kirche nachhaltig stabil bauen.
Hohe Baukunst und edle Spender
Dabei werden die Stahlelemente sauber ummauert. "So, dass die verschiedenen Materialien witterungsbedingt arbeiten können, ohne sich gegenseitig zu beschädigen." Neben dem Mauerwerk erhält auch das Dach eine Frischzellenkur. Die gesamte Elektrik wird von oben bis unten erneuert. Wenn die Kirche fertig ist, geht’s an den Innenhof, der neu gepflastert wird. "Vor allem, dass auch wirklich alle mitmachen, die gefragt werden mussten, haut mich schier um", sagt der Pfarrer, der bereits seit 1990 hier der Hirte über derzeit knapp 3600 "Schäfchen" ist. Plötzlich tauchten Spender auf, die Häfner eigentlich nie so recht "auf dem Schirm" hatte. "Da gibt es Ehepaare, die plötzlich einen hohen dreistelligen Betrag bereitstellen. Oder die Seniorin, die sich das ganze Jahr über ein paar Euro für die Weihnachtsgeschenke ihrer Enkel vom Munde abspart und mir einen Zehn-Euro-Schein überreicht."

Kooperativ und unbürokratisch
Er sei nicht nur froh, dass die Mitarbeiter von Kirchenbauamt und Landeskirchenamt so kooperativ und unbürokratisch waren, sondern auch stolz auf seine Gemeinde. Und das ist nicht selbstverständlich. Denn als sich im Frühjahr 2017 plötzlich Komplettrisse im Mauerwerk zeigten, wurde man sich in der Gemeinde so langsam gewahr, dass die nach den Plänen von Johannes Sauer (einem Schüler des berühmten Architekten Olaf Andreas Gulbransson) entstandene Kirche zwar preisgekrönt schön und einzigartig sei; allerdings war sie komplett ohne Dehnungsfugen gebaut worden.
Sich ansammelnde Feuchtigkeit zersetzte im Lauf der Jahrzehnte den Mörtel zwischen verschiedensten Materialen. Folge: Die um einen Stahltorso herum gemauerte Kirche muss komplett neu ausgemauert werden – sonst würde ein Kirchenbesuch zum wahren Sicherheitsrisiko für Leib und Leben. Abriss? Undenkbar. Auch wenn rasch 1,1 Millionen Euro an Kosten auf dem Tableau standen. Da die Landeskirche den Bau aber als "denkmalwürdig" einstuft, schießt sie stolze 600 000 Euro zu. Vom Dekanat Nürnberg kommen rund 220 000 Euro. Den Rest finanziert die Gemeinde aus Rücklagen, Krediten und Spenden.
Für Armin Langmann, Pfarrer und Beauftragter für Fundraising im Kirchenkreis Nürnberg, sind solche Bausachen keine unüblichen. "Man hat das oft nicht im Blick, dass man bei einem normalen Wohnhaus auch alle 40 Jahre was am Dach machen muss. Der kritische Punkt bei der Kirche ist nur, ob man 40 Jahre lang im Blick gehabt hat, dass diese Reparatur kommen wird. Und ob es möglich war, dafür etwas anzusparen und vorzusorgen", gibt er zu bedenken.
"Bisschen Volkshochschul-Flair"
Zum Erntedankfest möchte Häfner die Gemeinde dann wieder in der renovierten Philippuskirche begrüßen – oder, wenn es klappt, eventuell auch schon am Sonntag zuvor, wenn der neue Konfirmandenjahrgang vorgestellt wird. Bis dahin wird im nahe gelegenen Gemeindehaus Gottesdienst gefeiert. "Das hat zwar manchmal in den modernen Räumen ein bisschen Volkshochschulen-Flair, aber es geht eben weiter", meint Häfner.
Am Eingang zum Gemeindezentrum kann man jedenfalls immer das Spendenbarometer sehen, das vom Pfarrer persönlich regelmäßig mit Sand gefüllt wird, bis die "50 000" endlich erreicht ist. Darüber thront mahnend eine Uhr, deren Zeiger auf 5 vor 12 steht. Karlheinz Häfner schluckt heute noch, wenn er das sieht: "Ja, es war wirklich höchste Zeit. Gott sei Dank ist all die Jahre nichts passiert."

