Über 30 Jahre tat er das mit zweien seiner Brüder als Teil der anarchischen Kult-Kapelle "Biermösl Blosn", seit 2013 spielt Well mit seinen Kindern Sarah, Tabea und Jonas als "Wellbappn". Auch die aktuelle CD "Didl Dudl" bietet wieder einen in bestem Wortsinne volksmusikalischen Mix, der inhaltlich voll auf der Höhe der Zeit ist und der auch unangenehmen Themen ein Augenzwinkern entlockt.
Herr Well, man kann Sie getrost als "musikalischen Familienmenschen" bezeichnen – über drei Jahrzehnte mit zwei Brüdern unterwegs, und jetzt mit dem Nachwuchs. Wo ging es demokratischer zu?
Hans Well: Nirgends! Ich schaffe an, und die anderen lassen mir den Glauben, dass ich was zu sagen habe. Nein, im Ernst, jeder hat seine Aufgabe und erfüllt die. Mit den Kindern macht es mir halt wieder viel mehr Spaß, weil das Verhältnis zueinander viel unverkrampfter ist. Außerdem lernen die viel schneller neue Liedtexte und haben noch Lust auf Neues.
Ihre Texte sind durchaus ambivalent, wie zum Beispiel der über die "Hetzjagden von Chemnitz" im August 2018. Auch Sie scheinen in der "Lobeshymne der Saxen" diesen eine braune Gesinnung zu attestieren. Warum immer alle über einen Kamm scheren?
Well: Nein, das richtet sich nur gegen Sachsen mit einer bestimmten Gesinnung. Lieder komprimieren, typisieren natürlich und vereinfachen in gewisser Art und Weise, man hat ja nicht so viele Zeilen. Ich persönlich kenne viele Leute aus Sachsen, die sehr nett und liberal sind, auch wenn der Dialekt nicht gerade erotisch ist.
In "Ökowahn" geht es dagegen um die Doppelmoral beim "Welt retten" – da werden Sie doch eher ein Raunen beim Stammpublikum ernten?
Well: In diesem Lied geht's darum, dass individuelles Verhalten wenig bewirkt. Schaun Sie, wenn ich nur mehr Fahrrad fahre, aber mein Nachbar dafür mit seinem Cayenne mein CO2-Kontingent durch den Auspuff jagt, oder meine Flugscham durch exzessives Fliegen neutralisiert, ist niemandem geholfen. In Corona-Zeiten erleben wir ja, dass im Sinne des Allgemeinwohls durchaus Verbote erlassen werden können. Das Lied kann aber beim ersten Hören schon missverstanden werden.
Gleich zwei Stücke handeln von den Irritationen rund um "Diesel-Skandal" und die Machenschaften der Autohersteller. Auch wieder ein kontroverses Thema. Welchen Antrieb für Pkw favorisieren Sie?
Well: Beim Dieselskandal ist es schon absurd, dass ein offenkundiges kriminelles Verhalten bis heute nicht bestraft wurde. Auf alternative Antriebe warte ich im Grunde genommen seit der ersten Ölkrise in den Siebzigern. Im Moment fahren wir mit einem Erdgasauto zum Musikspielen, daheim ist's ein E-ZOE, den ich mit der eigenen Solaranlage tanke.
Sie schreiben die Texte allesamt selbst – wie früher. Ist das die "letzte Bastion", die Sie sich in Ihrem Ensemble gönnen?
Well: Was soll ich alter Dackl denn sonst noch machen? Für die Musik sind jetzt die Wellbappn zuständig – die machen das exzellent. Ich spiele und singe gern und bewundere, wie gut meine Kinder mit Instrumenten umgehn können. Ich dilettiere ja eher.
In "Biestum Bayern" geht es der katholischen Kirche und ihrer Sexualmoral an den Kragen. Sie sind selbst in einer streng katholischen Gegend aufgewachsen. Wie haben Sie Kirche in Ihrer Jugend wahrgenommen?
Well: Bei diesem Thema war's schwierig, etwas Humorvolles reinzubringen. Ich hab immer wieder Menschen kennengelernt, deren Leben durch kirchlichen Missbrauch zerstört wurde, auch in unserer Umgebung. Und durch eine Sexualmoral, die junge Menschen in massive Gewissenskonflikte getrieben hat. Speziell beim Thema Kindesmissbrauch tut sich die Kirche bis heute sehr schwer mit der Aufarbeitung.
Wie viel Zeit nimmt sich die "Wellbappn" zum Einstudieren von Musik neben all den anderen Aktivitäten der Musiker?
Well: Die Tabea studiert ja an der Musikhochschule München Geige. Die muss schon sehr viel üben. Aber auch die Trompete vom Jonas will jeden Tag geblasen werden, sonst ist der Ansatz beim Teifi. Und bis ein Lied oder Musikstück richtig sitzt, das dauert. Hauptsächlich hängt's meistens an mir.
Stichwort "Volksmusik": Unter diesem Begriff laufen mittlerweile sowohl "heile Welt"-Besinger als auch "Heimat-Patrioten". Wo würden Sie sich gerne einordnen lassen?
Well: Als Heimat-Realisten. Im realen Leben liegt genug Humor-Potenzial. Dass die Welt nicht heil ist, noch nie war, ist eh eine Binsenweisheit. Volksmusik oder Lieder aus anderen Ländern hab ich schon immer sehr gerne gemocht. Da spürt man im Gegensatz zu volkstümlichem Schrott eine unbändige Kraft und Vielfalt, die berührt. Bei rumänischer, irischer oder italienischer Volksmusik genauso wie bei bayerischer oder österreichischer.
INFO: Wie die "Wellbappn" sich mit dem Corona-Virus und dem Auftritts-Shutdown künstlerisch auseinandersetzt, findet man hier und hier. Mehr Informationen online unter www.hans-well.de