Nicht immer werden Pfarrstellen wieder besetzt, wenn die bisherigen Pfarrer*innen in Ruhestand geht oder die Stelle wechseln. Kreativität wird in Oberfranken mittlerweile großgeschrieben. Die Gemeinde Nemmersdorf im Landkreis Bayreuth sucht per Straßenbanner. In Schwarzach bei Kulmbach hat man sogar einen Headhunter aktiviert.
Pfarrer*innen mittlerweile "so gefragt wie Ingenieure"
Den Beruf des Headhunters verbinden die meisten Menschen mit dem industriellen Bereich. Der Begriff klingt im ersten Moment etwas bedrohlich: Headhunter ist englisch und bedeutet "Kopfjäger" - natürlich werden dabei aber keine Köpfe gejagt. Sogenannte Headhunter werden in der Wirtschaft eingesetzt, um besonders geeignete Personen für eine leitende Stellung im Unternehmen zu suchen. Hans Ulrich Gruber ist so ein Headhunter. Zugleich ist er in seiner Kirchengemeinde in Schwarzach als Umweltbeauftragter aktiv.
Nachdem alle Bemühungen der Gemeinde um einen neuen Pfarrer gescheitert waren, warf er seinen Hut in den Ring. "Ich habe dann einfach im Gespräch mit der Regionalbischöfin gesagt: 'Ich kann doch auch mal suchen, ist doch mein Beruf.'" Gruber begab sich gleich im Netz auf die Suche. Schnell musste er feststellen:
"Pfarrer sind mindestens genauso gesucht wie Ingenieure, wenn nicht sogar ein bisschen mehr."
Kein leichtes Unterfangen für Gruber, auch weil Pfarrer nicht unbedingt auf den einschlägigen sozialen Netzwerken unterwegs sind. Fast wurde der Experte dennoch fündig, aber der Bewerber entschied sich schließlich doch noch für eine andere Pfarrstelle.
Hans Ulrich Gruber ist aber niemand, der so schnell aufgibt. Inspiriert von Carlos Möller, einem brasilianischen Pfarrer, der jahrelang in Nürnberg tätig war, begab sich er sich im Netz auf Theologensuche in Brasilien. Und dort konnte sich ein Pfarrer-Ehepaar mit dem Gedanken anfreunden, nach Deutschland zu gehen. Sinara und Danilo Kammers haben jahrelang als Pfarrer im Süden Brasiliens gearbeitet und wollten sich eine neue Herausforderung suchen.
Von Brasilien nach Oberfranken
Da kam die Anfrage von Gruber wie gerufen. Die Bewerbung ging schnell in Deutschland ein. Dann begannen die bürokratischen Mühlen ihr Werk. Die Corona-Pandemie erschwerte noch das Verfahren. Brasilien war damals als Virusvariantengebiet eingestuft, und somit war eine Ausreise extrem schwierig. Schließlich wurde doch ein Weg gefunden, denn Danilo Kammers konnte aufgrund seiner Vorfahren in Luxemburg die Luxemburgische Staatsbürgerschaft beantragen. So wurden die Kammers EU-Bürger*innen und waren vom Transportverbot ausgenommen. Aber selbst am Tag des Abflugs gab es noch Probleme.
Hans Ulrich Gruber erzählt, dass eine Formalie nicht erfüllt wurde, die entsprechende Anfrage bei der Fluggesellschaft wurde zwar gestellt, aber eine Antwort kam nie. Nur durch glückliche Umstände erkannte ein Flughafenmitarbeiter die Familie beim gemeinsamen Gebet in der Abflughalle.
"Dieser Mitarbeiter hat dann sofort in der Zentrale angerufen und die Genehmigung für den Flug eingeholt, und so konnte Familie Kammers vier Minuten vor Abflug noch an Bord gehen."
Vorerst noch als Vikar*innen eingestuft
Seit mittlerweile über zwei Monaten sind sie in Schwarzach und dort als Fortbildungsvikar*innen angestellt. Denn obwohl die beiden schon lange Zeit als Pfarrer*in in Brasilien gearbeitet haben, ist es nicht möglich, in Deutschland gleich als Pfarrer*in eingestuft zu werden. Für den Religionsunterricht an den Schulen ist ein Sprachzertifikat nötig. Das ist das erste Projekt des Ehepaars. "Wir sind unglaublich überrascht, wie wir empfangen wurden und was die Gemeinde alles für uns gemacht hat", sagt Sinara Kammers und ihr Mann ergänzt:
"Wir fühlen uns in Deutschland in unserer Gemeinde in Schwarzach einfach sehr wohl und freuen uns auf die kommenden Jahre und auf die Arbeit mit den Gläubigen."
Auch die Kirchengemeinde freut sich über die engagierten Pfarrer und dass wieder Leben eingezogen ist ins Pfarrhaus. Ein wenig umgewöhnen muss sich das Ehepaar noch, die Orgelmusik ist in Brasilien nicht verbreitet und auch in der Liturgie ist in Brasilien vieles freier als in Deutschland. Auch klimatechnisch müssen sich die Kammers noch vorbereiten. Denn ein brasilianischer Winter entspricht von den Temperaturen eher dem bayerischen Frühherbst.