Ende September hat die Deutsche Umwelthilfe gefordert, dass Privathaushalte und Städte auf die Weihnachtsbeleuchtung verzichten. Die Reaktion war ein Aufschrei. Auch Margot Käßmann, ehemalige Ratsvorsitzende der EKD, hat sich dazu in ihrer Kolumne geäußert. Es sei für die Seele gut, dass wir die dunkle Jahreszeit mit Licht füllen. Ihr gehen diese Forderungen schlicht zu weit.

In einem Pro und Contra erörtern unsere Redakteur*innen Lea Kiehlmeier und Oliver Marquart, ob und inwiefern der Verzicht auf Weihnachtsbeleuchtung sinnvoll ist – oder wegkann. 

Pro: Wir kommen um Verzicht nicht herum

Viele von uns verzichten dieser Tage, denn wir sind im Krisenmodus und das schon seit einer ganzen Weile. Ich kann verstehen, dass man sich dann, vor allem in der Vorweihnachtszeit, nach Trost und etwas Schönem sehnt. Und was ist schöner und tröstender als bunte Lichter im Winter?

Hier zeigt sich das große Dilemma der Energie- und Klimakrise: Wir wollen uns nichts wegnehmen oder verbieten lassen: Rasen auf der Autobahn, jederzeit totes Tier auf dem Teller und zu Silvester bitte ballern, was die Lunte hergibt. Es wird immer noch auf Freiwilligkeit gesetzt.

Freiwilligkeit der Industrie, die vor allem für den Ausstoß von Treibhausgasen verantwortlich ist. Freiwilligkeit von Bürger*innen, weil man ja nicht zu viel verbieten darf. Verstehen Sie mich nicht falsch: Schnelles Fahren auf der Autobahn macht mir genauso viel Spaß wie der nächsten Mittdreißigerin und eine Weißwurst gehört zu meiner bayerischen Identität ebenso sehr wie das Weizen und der süße Senf an einem Sonntagvormittag. Aber ist es nicht auch an uns, ein Zeichen zu setzen und der Politik zu signalisieren, dass wir bereit sind, Abstriche zu machen?

"Wir fühlen uns von zu hohen Energiekosten belastet und wollen, dass der Staat uns unterstützt, sind aber auf der andere Seite nicht bereit, unseren Verbrauch zu senken."

Um Verzicht werden wir so oder so nicht herumkommen. Entweder freiwilligen oder aufgezwungenen. Wir fühlen uns von zu hohen Energiekosten belastet und wollen, dass der Staat uns unterstützt, sind aber auf der andere Seite nicht bereit, unseren Verbrauch zu senken. Natürlich können das nicht alle Menschen tun. Reiche Menschen haben ohnehin einen weit höheren Ressourcenverbrauch als arme Menschen, die schon jetzt nicht mehr wissen, wo sie noch sparen sollen.

Glauben Sie mir, ich war schon mehrmals in meinem Leben an dem Punkt, an dem ich mich zwischen Heizen und Essen entscheiden musste. Die Diskussion um die Weihnachtsbeleuchtung ist (wieder mal) eine Debatte, die vom eigentlichen Thema ablenkt und sehr emotional aufgeladen ist. Lassen Sie uns an dieser Stelle einen Schritt zurücktreten und auch einmal darüber nachdenken, warum die Weihnachtsbeleuchtung zu einer Stellvertreterdiskussion geworden ist. Wir wollen uns nicht einschränken, denn das bedeutet Veränderung und mit der tun wir uns meistens echt schwer.

Es hilft auch einfach nichts, ständig mit dem Finger auf DIE Reichen, DIE Industrie oder DIE Politik zu zeigen. Es hilft auch nichts, sich auf Detailfragen zu stürzen und das große Ganze aus den Augen zu verlieren. Das System funktioniert nach Angebot und Nachfrage. Das Angebot an Energie ist gerade ziemlich rar, deshalb sollten wir daran arbeiten, dass unsere Nachfrage ein Zeichen setzt.

(Lea Kiehlmeier)

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Contra: Rein symbolische Maßnahme

Der Bundeswirtschaftsminister möchte, dass wir kürzer duschen. Als wäre das nicht schon Zumutung genug, sollen wir jetzt auch noch auf Weihnachtsbeleuchtung verzichten. Diktatur!!1! 

Spaß beiseite. Tatsächlich halte ich wenig davon, die Lichterketten dieses Jahr nicht aufzuhängen. Denn in diesem Punkt bin ich mit meiner Kollegin einer Meinung: Die Debatte um Weihnachtsbeleuchtung lenkt vom eigentlich Thema ab. Ähnlich wie bei der ebenso unsäglichen Duschzeiten-Debatte wird dabei versucht, die Verantwortung für die Klima- und Energiekrise dem Individuum aufzubürden. 

Gerade so, als ob die Erderwärmung sich stoppen ließe, wenn jede*r ein bisschen kürzer duscht, ein bisschen mehr Zug fährt – und auf Weihnachtssterne und Lichterketten verzichtet. Das wäre nett und klingt ja theoretisch auch sehr erbaulich: Jede*r trägt ein bisschen was dazu bei, dann wird es schon für alle reichen.

Doch die Klimakrise ist keine WG-Party, bei der alle was mitbringen und am Schluss alle Anwesenden satt und betrunken sind. Um die Erderwärmung wenigstens zu bremsen braucht es mehr als ein wenig Verzicht auf hohem Niveau. Es braucht nicht weniger als eine tiefgreifende Veränderung der Art, wie wir Energie gewinnen – und wenn mich nicht alles täuscht, wird auch die immense Höhe des Energieverbrauchs nicht zu halten sein. 

"Der Verzicht auf Weihnachtsbeleuchtung ist angesichts der Dimension des Problems nicht mehr als der berühmt-berüchtigte Tropfen auf den heißen Stein."

Das wiederum bedeutet, wir müssen an die großen Fische ran. Die Bedrohung, die die Erderwärmung darstellt, ist global. Der Verzicht auf Weihnachtsbeleuchtung ist angesichts der Dimension des Problems nicht mehr als der berühmt-berüchtigte Tropfen auf den heißen Stein.

Die Rechnung geht einfach nicht auf: Es ist emotional ein schmerzhafter Verzicht, denn das Dunkel des Winters lässt sich einfach deutlich besser mit schöner Beleuchtung ertragen. Und der emotionale Schmerz wird nicht einmal durch einen spürbaren Effekt wieder gutgemacht, denn Weihnachtsbeleuchtung ist in der Gesamtsumme des Energieverbrauchs ein vernachlässigbarer Faktor.

 Daher bringt es gar nichts, symbolträchtig die Kerzen am Weihnachtsbaum zu löschen, ohne sich Gedanken zu machen, wie unser ungeheurer Energieverbrauch insgesamt gesenkt werden kann. Auch das wird höchstwahrscheinlich zu schmerzhaftem Verzicht führen – es wird sich aber im Gegensatz zum isolierten Verzicht auf Weihnachtsbeleuchtung lohnen.

(Oliver Marquart)