Mein schönstes Weihnachtserlebnis hatte ich als Bub. Das muss 1948 oder 1949 gewesen sein: Da lag an Heilig Abend ein Fußball unterm Weihnachtsbaum. Das war für damalige Verhältnisse etwas ganz Unglaubliches. Es gab im ganzen Dorf keinen Fußball, man spielte mit Lappen oder mit dem, was man fand. Und da lag nun ein richtiger Ball, den mir mein Vater geschenkt hatte, obwohl er ein leidenschaftlicher Fußball-Gegner war. Wir hatten einen Bauernhof, und mein Vater hat sich immer geärgert, wenn ich draußen Fußball spielte, weil darunter die Wiese litt. Dass er und meine Mutter damals über ihren Schatten gesprungen sind, daran erinnere ich mich ein Leben lang.

Mit dem neuen Ball haben wir dann am nächsten Morgen gleich im Garten gespielt - mit den guten Schuhen, obwohl es leicht geschneit hatte. Das halbe Dorf war da und alle waren glücklich, dass es jetzt in Oberrohr - so hieß der Ort im Schwäbischen - einen Fußball gab. Den Ball hatte ich zehn Jahre und er blieb lange der einzige in Oberrohr. Immer wieder einmal sind die Nähte gerissen. Ich bin dann zu einem Sattler in Thannhausen gefahren, um den Ball flicken zu lassen.

Ich habe zwar nie im Verein gespielt, dafür aber leidenschaftlich gern. In der Fußballmannschaft des Bundestags war ich Linksaußen, weil keiner der Sozis mit links schießen konnte. Ich bin außerdem Ehrenspielführer der Behindertenfußballmannschaft im schwäbischen Ursberg. Das ist eine große Auszeichnung für mich. Wir haben sogar einmal gegen die Bundestags-Mannschaft gespielt und ein 4 zu 4 erreicht. Da waren wir alle unglaublich stolz und glücklich.

Heute feiern wir Weihnachten zu Hause im Allgäu mit der Familie. Ich habe drei Weihnachtskrippen. Eine davon hat mein Bruder gebastelt, der mit 18 Jahren im Krieg gefallen ist. Außerdem steht bei uns zu Hause eine Krippe aus Perlmutt, die mir Palästineserführer Jassir Arafat in den 90er Jahren geschenkt hat. Und dann habe ich noch eine, die meinen Eltern gehörte: Sie ist bestimmt 100 Jahre alt und steht immer im renovierten Bauernhof meiner Eltern in Oberrohr. Die Krippen an Weihnachten aufzustellen und sie zu beleuchten, das ist für mich etwas ganz Besonderes. Deswegen bin ich immer auch ein wenig traurig, wenn die Krippen am Drei-Königstag wieder entfernt werden.

Theo Waigel (78) war neun Jahre Bundesfinanzminister und elf Jahre CSU-Vorsitzender. Heute arbeitet der Jurist beratend in der Münchner Kanzlei Waigel Rechtsanwälte.