Friedl Deichselberger ist verzweifelt. Der Würzburger Rentner lebt seit mehr als 70 Jahren in seinem Elternhaus, einem Mehrparteienhaus in der Rottendorfer Straße. Inzwischen gehört das Haus jedoch nicht mehr ihm, sondern einer Stiftung. Seit 2023 hat ihn die Stiftung schon mehrmals zum Auszug aufgefordert, inzwischen ist auch eine Zwangsräumung im Gespräch.

Damit wäre nicht nur Deichselbergers Altersvorsorge futsch, sondern auch sein Zuhause. Die Geschichte ist jedenfalls reichlich kompliziert. Und sie hat mit der Erbpacht zu tun. Einem Modell, bei dem man Grundstücke nicht selbst kauft, sondern für eine festgelegte Dauer mietet, um darauf zu bauen.

Erbpacht in Würzburg

Gerade in Zeiten stetig steigender Baupreise und eines vergleichsweise hohen Zinsniveaus ist die Erbpacht für viele potenzielle Häuslebauer attraktiv. Für Etliche ist es die einzige Möglichkeit, sich Wohneigentum zu schaffen, weil eben nicht gleich viele tausend Euro alleine für Grund und Boden bezahlt werden müssen.

Meist laufen solche Erbpacht-Verträge 70 oder gar 99 Jahre. Angeboten werden sie häufig von Kommunen mit Neubaugebieten, aber auch von den Kirchen oder sogar vom Freistaat Bayern. Das Konzept gibt es schon seit Jahrzehnten, derzeit laufen viele Alt-Verträge aus. Immer wieder gibt es dann Probleme, weil die Pächter zwar ein Haus, aber kein Grundstück mehr haben.

Zinszahlungen für sozialen Zweck

Bei Deichselberger war die Lage ein bisschen anders. Er brauchte kein Baugrundstück, sondern Geld. Sein Mietshaus musste dringend saniert werden - doch dem Senior fehlte das Geld dazu: "Ich wollte keinen klassischen Kredit, an dem nur die Bank verdient." Er wollte mit seinen Zinszahlungen vielmehr "eine soziale Einrichtung" unterstützen.

Wie genau ihm die Idee kam, das Grundstück - auf dem sein Elternhaus steht - an die "Rechtsanwalt Richard Schmitt-Stiftung" zu verkaufen, weiß er nicht mehr genau. Jedenfalls schloss er gleichzeitig einen Erpacht-Vertrag und mietete sich das Grundstück quasi zurück. Die eine Million Euro Verkaufserlös steckte er dann größtenteils in die Sanierung.

"Die wollten das Haus"

Anfangs bediente Deichselberger unter anderem mit den Mieteinnahmen die Erbpacht-Zinsen, doch dann lief es nicht mehr rund: "Ich wusste, dass ich in Verzug kommen würde, also habe ich mich bei der Stiftung gemeldet." Er wollte ein, zwei Wohnungen verkaufen, um seine Verbindlichkeiten bedienen zu können. Die Stiftung war einverstanden - sie wollte von den künftigen Wohnungseigentümern aber einen höheren Erbpacht-Zins als ihn Deichselberger bis dahin gezahlt hatte. Die Käufer sprangen ab. "Das war Absicht. Die wollten das Haus", sagt Deichselberger. Er meint damit den "Heimfall" - das ist, wenn die Erbpacht regulär ausläuft, oder falls der Erbpacht-Nehmer zwei Jahre nicht zahlt.

Florian Becker vom Bauherren-Schutzbund in Berlin weiß um die Fallstricke beim Erbpacht-Recht: "Rechtlich gesehen ist es so: Eine Immobilie gehört immer demjenigen, dem auch das Grundstück gehört." Die Erbpacht trennt diese Einheit für eine gewisse Zeit. Endet sie, so fällt der Grund an den Erbpacht-Geber zurück, der dem Hausbesitzer für die Immobilie eine zuvor zu vereinbarende Ablöse zahlen muss. Wer also den Heimfall nicht vorab klar regelt, kann am Ende mit leeren Händen dastehen - oder mit einer Summe, die deutlich unter dem Zeitwert der Immobilie liegt.

Rechtsanwalt Richard Schmitt-Stiftung

Was sagt man bei der "Rechtsanwalt Richard Schmitt-Stiftung" dazu? Sie wird von einer weit größeren Stiftung - dem Bürgerspital zum Heiligen Geist - verwaltet, die selbst mehrere Seniorenheime, Wohnstifte und andere Einrichtungen betreibt. Finanziert wird das Ganze größtenteils über Grundbesitz sowie das vielfach ausgezeichnete Weingut. Zweck der "Rechtsanwalt Richard Schmitt-Stiftung" sei die Unterstützung von Waisen und Halbwaisen, teilte das Bürgerspital schriftlich mit. Um diesen zu erfüllen, müsse man Erträge erwirtschaften, aus dem Vermögen. Dazu kauft die Stiftung beispielsweise auch Grundstücke, um später mit den Erbpacht-Einnahmen den Stiftungszweck zu erfüllen.

"Wir bedauern die Situation außerordentlich und sind seit Jahren an einer einvernehmlichen Lösung interessiert", heißt es von der Stiftung. Alle Versuche dazu seien aber gescheitert. Rechtlich gesehen hat die Stiftung korrekt gehandelt, das haben bereits Gerichte entschieden. Laut Stiftung hat Deichselberger nach Beginn der Zahlungsprobleme mehrere Fristen nicht eingehalten. Doch das bestreitet er. Letzten Endes wurde der Zeitwert des Hauses auf 1,2 Millionen Euro festgelegt - 66 Prozent davon sollte Deichselberger erhalten. Nach Abzug aller Verbindlichkeiten und der Kosten für den Rechtsstreit sei fast nichts übrig geblieben, sagt er. Dabei sollte das Haus seine Altersabsicherung sein.

Vor- und Nachteile von Erbpacht-Verträgen

Erbpacht-Experte Becker stellt noch einmal klar: "Erbpacht-Verträge können, je nach finanzieller Situation der Bauwilligen oder bei Sanierungsfragen, zur Geldbeschaffung eine gute Lösung sein - aber: man muss sich die Verträge genau anschauen, am besten mit rechtlicher Beratung." Auch sei es gut, sich vorab über die Erbpacht-Geber genau zu informieren: Etwa darüber, wie diese in der Vergangenheit mit den Erbpacht-Nehmern bei auslaufenden Verträgen oder Zahlungsschwierigkeiten umgegangen sind. "Bei Stiftungen ist zu bedenken: Gerade in Niedrigzins-Phasen kommen sie selbst in finanzielle Bedrängnis und sind dann als Erbpacht-Geber mitunter wenig kundenfreundlich."

Für Friedl Deichselberger endet die Geschichte doppelt bitter. Nicht nur er wird sich vermutlich eine neue Wohnung suchen müssen, sondern auch sein Sohn - der wohnt mit Frau und Kindern ebenfalls in dem Mehrparteienhaus.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden