Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bekennt sich oft zu seinem christlichen Glauben - sei es in Interviews, Reden oder durch symbolische Handlungen wie das Anbringen von Kreuzen in Behörden. Der frühere bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm attestierte ihm einst, ein "streitbarer Protestant" zu sein. 

"Christsein macht einen stärker", sagt Söder und spricht offen darüber, wie ihm der Glaube Halt gibt. Doch wie authentisch ist sein Bekenntnis? Ist er tatsächlich ein tiefgläubiger Politiker – oder nutzt er Religion als strategisches Instrument für seine politische Agenda?

Frühe Prägung: Ein Glaube, der durch Krisen wächst

Söders christliche Prägung begann bereits in seiner Kindheit. Seine Mutter legte großen Wert auf eine religiöse, evangelische Erziehung, es wurde regelmäßig gebetet und auch die Jungschar spielte in seiner Jugend eine Rolle. "Religion war immer eines meiner Lieblingsfächer", erinnert er sich. Er sei aber nie der Typ gewesen, der sich für das Pfarramt interessiert hätte.

Besonders geprägt habe ihn der plötzliche Tod seiner Mutter 1994. In dieser schweren Zeit habe er Trost im Gebet gefunden. Seither sei sein Glaube bewusster und intensiver geworden: "Ich bete regelmäßig, das gibt mir Halt." Söder beschreibt seinen Glauben als pragmatisch – weniger dogmatisch, sondern eher als Quelle moralischer Orientierung und Kraft.

"Ich trage immer ein Kreuz bei mir und bekreuzige mich regelmäßig", sagt er. Diese Gesten seien für ihn Ausdruck einer tiefen persönlichen Überzeugung, nicht nur Äußerlichkeiten.

Söder und die Religion im politischen Raum

Dass sein christlicher Glaube nicht nur Privatsache ist, sondern sich auch politisch niederschlägt, zeigt sich in vielen seiner Entscheidungen. Besondere Aufmerksamkeit erregte 2018 seine Anordnung, in allen bayerischen Behörden Kreuze aufzuhängen.

Kritiker*innen warfen ihm damals vor, das Christentum für eine identitätspolitische Agenda zu instrumentalisieren. Söder selbst verteidigte seine Entscheidung tatsächlich mit einem identitätspolitischen Argument:

"Das Kreuz ist nicht nur ein religiöses Symbol, sondern steht auch für die kulturelle Identität Bayerns".

Auch in ethischen Debatten positioniert sich Söder häufig in der Nähe kirchlicher Positionen. So lehnt er eine Lockerung des Abtreibungsrechts ab und spricht sich gegen eine Liberalisierung des assistierten Suizids aus. Zugleich hält er wenig von einer strikten Trennung von Staat und Kirche. Die historischen Staatsleistungen an die Kirchen betrachtet er als "gewachsene Tradition", die nicht in Frage gestellt werden dürfe.

Spannungen zwischen Politik und Kirche

Trotz seiner Betonung christlicher Werte kam es zuletzt zu Spannungen zwischen Söder und den Kirchen. Auf dem CSU-Parteitag in Nürnberg kritisierte er die Kirchen für ihre Einmischung in tagespolitische Themen und rief sie zu mehr Zurückhaltung auf. Er betonte die enge Verbundenheit Bayerns mit den Kirchen bis hin zur staatlichen Finanzierung von Gehältern und sagte:

"Vielleicht kümmert ihr euch – das sage ich jetzt als Christ – (...) manchmal auch um die ein oder anderen mehr christlichen Themen"

Damit meine er unter anderem den Lebensschutz in der Debatte um den Paragrafen 218, wie er erklärte.

Die Reaktionen der Kirchen auf die Kritik fielen zurückhaltend aus. Eine Sprecherin der bayerischen Landeskirche lehnte eine Stellungnahme ab, auch das Katholische Büro Bayern äußerte sich nicht öffentlich.

Hinter den Kulissen soll die Verärgerung über Söders Äußerungen jedoch groß sein. "Das ist mir zu primitiv, das kann man nicht ernst nehmen, das ist Wahlkampf", sagte ein leitender Geistlicher, der anonym bleiben wollte, dem epd.

Glaube oder Kalkül? Die doppelte Botschaft hinter Söders Religiosität

Ist Söders Christentum also gelebte Überzeugung oder politische Inszenierung? Der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter sieht hinter Söders Glaubensbekenntnissen eine doppelte Botschaft: Zum einen signalisiere er konservativen Wählern, dass Bayern trotz des gesellschaftlichen Wandels christlich geprägt bleibe.

Zum anderen sei es ein Versuch, das "C" im Namen der CSU stärker zu betonen und die Nähe zu den Kirchen zu wahren, sagte Oberreuter dem BR. Söder selbst kontert solche Vorwürfe mit einem einfachen Argument:

"Jeder kann glauben, was er will. Ich bin Christ aus Überzeugung, nicht aus politischem Kalkül."

Ob das immer alle so sehen, ist eine andere Frage. Eine Glaubensfrage.

Kommentare

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Wolle am So, 16.02.2025 - 10:29 Link

Ach, Herr Söder wieder… ich kenne wenige, die sich so ausgeprägt und offensichtlich opportunistisch verhalten wie er. Man versteht ihn am besten, wenn man sich nicht fragt, wenn man sich selbst in einen Menschen hineindenkt, der von nur einem Wert getrieben ist: was nützt mir, meinem Ego, meiner Bedeutung und meinem Einfluss in diesem konkreten Moment der Geschichte am meisten?

Er tut alles, was ihm nützt, und nur das. Er umarmt Bäume, wenn er meint, die meisten Wähler ticken grün. Er montiert Kreuze in Klassenzimmer und Amtsstuben, wenn er meint, die Wähler stehen auf die Werte des Abendlandes. Er preist die Atomkraft (die er ja eigentlich ablehnt), wenn er sich einen politischen Gewinn verspricht. Der fleischgewordene Opportunismus. Ein rostiger Wetterhahn im Wind der Meinungen, ein Meister des Nachplapperns und Verstärkens dessen, was gerade mehrheitsfähig ist mit dem klaren Ziel des eigenen Machterhalts. Das scheint der Richtwert seines Lebens zu sein. Zumindest der seines beobachtbaren politischen Lebens. Das wirkt dann halt immer besonders volksnah, deutlich, ehrlich und offen. Jedenfalls für die angesprochene Zielgruppe. Wenn der Wind sich dreht, stehen die dann plötzlich im Regen.

Jetzt drischt er halt auf die Kirchen ein, die eh schon unter Feuer stehen, und droht ihnen. Wenn er spürt, dass der Einfluss der Kirchen durch Austritte und Wertewandel abnimmt, dann ist da halt nichts mehr zu holen für ihn. Irgendwann konvertiert er dann vielleicht zum Islam, wenn die Mehrheit vermeintlich in diese Richtung steuern sollte. Oder glaubt an den großen Kürbis der Peanuts, wenn nur genügend Leute dies auch tun.

Dem Mann ist nicht zu trauen, mehr noch, solches Verhalten ist gefährlich. Das ist keiner, der für seine Überzeugung einsteht, auch nicht seine nur vorgeblich christliche, sondern nur für sich und sein politisches Überleben. Das Christentum aber fordert ein Einstehen für Liebe, Nächstenliebe und sogar den Feind. Und für die Ärmsten und Schwächsten. Und das ist selten, wenn überhaupt, mehrheitsfähig.

Victoria Lieberum am So, 16.02.2025 - 09:25 Link

Ich schätze Herrn Söder absolut nicht - aber wenn sich hier jetzt der eine anmaßt, öffentlich die Glaubenstiefe des anderen einzuschätzen, ist das gefährlich nah an den Pharisäern des Neuen Testaments!