Julius kichert. Die Vorfreude auf die Pointe ist riesig.

"Und er blieb am Platze / zurück mit einer Glatze",

sagt der Achtjährige - und prustet los. Das kurze Gedicht handelt von einem Löwenzahn, dem die Dame Annette das "Silberhaar" vom Kopf pustet. Es sind der Witz, die klare und dabei doch oft tiefgründige Sprache, die Josef Guggenmos' Werk ausmachen. Seine Lyrik gehört seit Jahrzehnten zu den Klassikern der Kinderliteratur. Am 2. Juli wäre der gebürtige Allgäuer 100 Jahre alt geworden.

Für Literaturwissenschaftler Kai Sina ist Josef Guggenmos eindeutig der "wichtigste Kinderlyriker der alten Bundesrepublik". Seine Texte seien auch heute "nicht verstaubt, haben keine Patina und haben immer noch etwas zu sagen", sagt der Professor an der Universität Münster. "Guggenmos unterfordert Kinder nicht - seine Texte haben ein Tiefenrauschen."

Josef Guggenmos und seine Kinderlyrik

Kinderlyrik sei "nie weg gewesen", erklärt Sina, heute sei sie ein "florierendes Feld". Viele Verlage veröffentlichten wieder dezidiert Gedichtbände für Kinder: "Wobei ich keine scharfe Grenze zwischen Kinder- und Erwachsenenlyrik ziehen würde." Viele Guggenmos-Texte nähmen eine kindliche Perspektive ein - "emotional, sprachlich und philosophisch", erläutert der Literaturwissenschaftler. Auch für die erwachsenen Leser seien sie ein Gewinn, "weil sie uns an unser kindliches Empfinden erinnern". Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur im unterfränkischen Volkach vergibt in Erinnerung an den Dichter alle zwei Jahre den Josef-Guggenmos-Preis für Kinderlyrik.

Dass Guggenmos einmal zu den bekanntesten und erfolgreichsten deutschsprachigen Kinderlyrikern gehören würde, war familiär nicht gerade vorgezeichnet: Er war das älteste von drei Kindern, wuchs in Irsee im Allgäu auf, sein Vater war Pfleger, die Mutter Schneiderin. Als er das humanistische Internats-Gymnasium St. Ottilien am Ammersee besuchte, wollte er zunächst Benediktinerpater werden - nach dem Zweiten Weltkrieg studierte der junge Mann dann allerdings lieber Kunstgeschichte, Germanistik und einiges mehr ohne Abschluss.

Josef Guggenmos war Lektor und Übersetzer

Zum Schreiben für Kinder kam er eher zufällig. Als Lektor und Übersetzer für verschiedene Verlage entdeckte er sein Talent. 1956 veröffentlichte er erste Verse für Kinder, 1967 gelang ihm mit seinem Gedichtband "Was denkt die Maus am Donnerstag?" der Durchbruch, er wurde dafür mit dem Deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet. Kritiker feierten 1971 das Buch "Gorilla ärgere dich nicht" als "Höhepunkt deutscher Kinderlyrik", sie sahen Guggenmos in der Tradition von Christian Morgenstern und verglichen ihn mit Ernst Jandl. Der Allgäuer Dichter selbst blieb trotz seines Erfolgs uneitel und nahbar.

2003 starb der Lyriker im Alter von 81 Jahren. Gut vier Jahre später benannte sich die Grundschule Altötting in Josef-Guggenmos-Schule um. "Als Namensgeber ist er vielfach präsent", berichtet Lehrer Thomas Stadler, der auch Lesebeauftragter seiner Schule ist. Vor jeden Schulferien gebe es etwa eine Schulradio-Sendung, sagt Stadler - und dort würden von Schülerinnen und Schülern immer auch ein, zwei Guggenmos-Gedichte vorgetragen: "Die Kinder begeistern sich nach wie vor für seine Texte."

Bis zu seinem Tod lebte Guggenmos in seinem Geburts- und Elternhaus im Allgäudorf Irsee. Dort holte der Vater von drei Töchtern sich in Wäldern und auf Wiesen die Inspirationen für seine zahlreichen Naturgedichte - wie das vom Löwenzahn, der mit einer Glatze zurückbleibt.

Literatur für Kinder sei eine "Kunst mit vielen Bällen", sagte er 2002 kurz vor seinem 80.

Geburtstag: "Das Kind hat das Recht auf das Echte." Wer ihm mit Unechtem komme, "zeigt, dass er das Beste im Kind nicht begriffen hat".

Das Echte, dazu gehören Guggenmos' zahlreiche Klassiker: Das Gedicht von der Tulpe zum Beispiel, die sieben kecken Schnirkelschnecken, auch die "unberachenbere Schreibmischane" oder das "lustige Schnettereteng" zwischen Luftballon und Nadel. Der achtjährige Julius kichert immer noch: "Die Texte sind so witzig." Die zehnjährige Carlotta findet Guggenmos' Sprache "schön und überraschend". Seine Texte hätten viel Humor, sagt sie - etwa, wenn die Nadel zum Ballon sagt:

"Ich mache pick / und du machst / peng!"