Es sind alarmierende Zahlen: Im Jahr 2016 sind 22 694 Menschen aus der Kirche ausgetreten. 2015 waren es noch knapp 25 000, 2014 sogar rund 28 400. Positiv ist: 99 Prozent der Christen haben im vergangenen Jahr ihrer Kirche die Treue gehalten, und die Zahl der Austritte vom vergangenen Jahr ist nicht ganz so drastisch ist wie in den beiden Jahren zuvor. Doch Grund zum befreiten Durchschnaufen gibt es nicht.

Aufhorchen lässt auch eine Zahl, die im April vom EKD-Kirchenamt in Hannover veröffentlicht wurde: Demnach gingen 2015 sonntags durchschnittlich nur noch 3,4 Prozent der knapp 22,3 Millionen Mitglieder in die Kirche. 20 Jahre zuvor waren es immerhin noch 4,9 Prozent, 2007 lag der Schnitt bei 3,4 Prozent.

Bei der Suche nach den Ursachen ist die Kirche oft ratlos. Dabei gibt es einige Gründe – nicht nur auf evangelischer Seite –, die als nachvollziehbar für einen Kirchenaustritt angesehen werden können.

Vertrauen in die Institution Kirche gestört

Da sind zum einen die immer wieder aufgedeckten Missbrauchsskandale der katholischen Kirche und deren teils fassungslos machender Umgang mit den Opfern. Wie erst kürzlich wieder im Fall der Regensburger Domspatzen. Ein Thema, welches das Vertrauen in die Institution Kirche generell stört. Oder die offenherzige Haltung beider Konfessionen zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung: Viele Christen fühlen sich hier überfordert und wollen nicht ständig zur Toleranz ermahnt werden.

Auf protestantischer Seite mag man sich derzeit fragen, ob man die Bewertung der »Ehe für alle« durch den Ratsvorsitzenden mittragen möchte, der sich diesem Modell gegenüber offen zeigt, weil Jesus an keiner Stelle der Bibel sich gegen die Ehe zwischen Menschen gleichen Geschlechts ausgesprochen habe. Ist demnach alles im Sinne Jesu, was dieser nicht ausdrücklich verneint hat?

Sehnsucht nach Orientierung

Vielleicht sind es auch ganz andere Gründe, warum Menschen ihrer Kirche den Rücken kehren. Sicher ist jedoch: Menschen sehnen sich nach festen Werten und Orientierung. Und nach Spiritualität, wie der Zulauf zu entsprechenden Angeboten auch nichtkirchlicher Institutionen zeigt.

Wenn die Kirchen Boden wettmachen möchten, dann sollten sie die Basis nicht aus dem Auge verlieren. Das geht nur durch einen offenen Umgang mit Fehlern (Beispiel Missbrauch); dazu gehören aber auch eine Verlässlichkeit in ihren Positionen und eine ebenso selbstbewusste Verkündigung der Frohen Botschaft.